Die Wartezeit auf die neuen Episoden von “Life is Strange 2” zieht sich derzeit zwar etwas hin, umso mehr soll sich das Warten darauf aber lohnen. Mit “Wastelands” ist seit dieser Woche die dritte Episode verfügbar, in der Sean und Daniel nach dem dramatischen Ende in Beaver Creek weiter nach Mexiko flüchten und dabei auf alte Bekannte treffen. Wirklich leichter wird das Leben für Beiden damit aber nicht, eher im Gegenteil.
Es gibt mal wieder einen Schauplatzwechsel in “Life is Strange 2” und es geht von der beschaulichen Kleinstadt in die tiefen Mammutbaumwälder Kaliforniens und in ein wildes Camp, in dem die Brüder seit Wochen mit den Aussteigern und Freigeistern Cassidy und Finn aus Episode 2 (unser Review) leben, sowie weiteren Vagabunden, um gemeinsam auf einer illegalen Hanf Farm zu arbeiten und sich so das Geld für den weiteren Trip nach Mexiko zu verdienen.
Daniel weiß seine Kräfte (like a Jedi) inzwischen immer besser zu nutzen, muss sie aber trotzdem für sich behalten. Das ist jeher ein Streitthema zwischen den Brüdern und führt immer wieder zu Konflikten, die zusätzlich durch weitere Umstände in dieser Episode befeuert werden. Sean ist zunehmend genervt davon, den Babysitter für Daniel zu spielen, was auch noch einmal wunderbar in einer Rückblende in die Zeit vor dem ganzen Vorfall zum Ausdruck gebracht wird. Er hängt lieber mit Gleichaltrigen rum und macht Dinge, die Jungs in seinem Alter halt tun – kiffen, trinken oder weitere sexuelle Erfahrungen machen – und das in eine ziemlich überraschende Richtung. Dabei kann so ein 9-jähriger Sprössling, dessen Verantwortung vollkommen euch obliegt, schon mal ordentlich nerven. Daniel fühlt sich dadurch natürlich immer mehr weg gedrängt, was die Konflikte zwischen den beiden Brüdern mehr denn je schürt. Beide gehen auch zunehmend eigene Wege oder immer mehr auf Konfrontation, doch lassen sich die Probleme so wirklich lösen? In Episode 3 zeigt man deutlich, dass die Interessen eines halben Kindes mit denen eines Teenagers kaum zusammenpassen. Selbst in dieser Ausnahmesituation, in denen sich Sean und Daniel befinden, hält das die Beiden immer weniger zusammen.
Erwachsenwerden ist nie leicht
Der Tenor der dritten Episode ist nach wie vor das zentrale Thema der Selbstfindung auf dem Weg zum Erwachsenwerden, was für Sean als eine Art Vaterfigur für Daniel mit umso mehr Herausforderungen verbunden ist. Dieser Weg ist und bleibt generell natürlich für jeden ziemlich steinig, da überrascht es in “Wastelands” umso mehr, dass die ebenfalls noch recht jungen Aussteiger immer wieder mit wirklich nützlichen Ratschlägen für Sean um die Ecke kommen, die auf wahren Lebenserfahrungen basieren. ‘Jemand zu sehr zu umklammern, treibt diesen nur noch mehr weg’ oder ‘das materielle Besitztümer nicht immer das ultimative Ziel sein sollten’ und solche Dinge.
Diese doch sehr tiefen und substanzielle Gespräche in “Life is Strange 2” haben einen ziemlich starken Einfluss auf eure Entscheidungen, vorausgesetzt man nimmt sie auch wirklich ernst und berücksichtigt sie am Ende auch, wenn es darauf ankommt. Mitunter könnt ihr damit die eine oder andere Situation doch noch etwas entschärfen. Das kommt vor allem zum abermals sehr dramatischen Schluss zum Ausdruck, bei dem meine zunächst gewählte Richtung gar nicht so verkehrt erschien, letztendlich aber in einem totalem Chaos endete, das ich so nicht erwartet hätte. Ein echter Life is Strange-Moment eben, für den man die Serie schätzt und liebt. Hinzu kommt, dass man auch weiterhin nicht vor schwierigen Themen zurückschreckt oder solchen, die manch einer einfach für sich ausblendet und hier ganz unerwartet damit konfrontiert wird.
Das typische Roadtrip-Feeling
Insgesamt fällt aber auch die dritte Episode, natürlich basierend auf euren Entscheidungen, weniger dramatisch aus als zum Beispiel das original “Life is Strange”, oder Konsequenzen folgen noch zu langsam oder zu subtil. Man erhält weiterhin das typische Roadtrip-Feeling, bei dem sich Sean und Daniel auch nie wirklich auf die aktuelle Situation (in dem Fall das Aussteigerleben) einlassen müssen, da sie so oder so planen irgendwann weiterziehen. Das überträgt sich auch auf die Beziehungen zu den anderen Charakteren, die oberflächlich gesehen zwar tiefer gewünscht sind, ganz nach dem Motto: „Egal was passiert, wir bleiben in Kontakt“, dann aber auch gleich wieder abgeblockt werden, da man insgeheim weiß, dass es oft nur bei diesem einem Moment bleibt.
Vor allem darf man aber gespannt sein, wie sich Seans Verhalten in dieser Episode, das Daniel ja permanent beobachtet und auch auf sich überträgt, in den kommenden Episoden zum Tragen kommt. Genau wie die Konsequenzen spürt man diesmal noch nicht sehr viel davon, wenngleich Daniel schon etwas mehr Autonomie aufweist. Aus Sicht der eigentlichen Thematik wirkt diese Episode zunächst daher auch etwas schwächer als die vorherigen, was mit dem dramatischen Ende aber wieder auf Kurs gebracht wird.