Es ist das mit Spannung erwartete und finale Kapitel der jüngsten Tomb Raider-Trilogie, in der man die Entwicklung der jungen und unerfahrenen Lara Croft zur unerschrockenen Heldin erleben konnte. Im aktuellen “Shadow of the Tomb Raider” verschlägt es Lara nach ihrer Reise nach Yamatai und Sibirien nun in die tiefen Dschungel Mexikos und Perus, wo sie vor der wohl größten Herausforderung ihres Lebens steht, wenn auch irgendwie selbst verschuldet. Wie sich die vorerst letzte Reise von Miss Croft schlägt, erfahrt ihr unserem Test.
Versehentlich die Apokalypse losgetreten …
Gemäß ihrer Obsession bereist Lara Croft noch immer die Ruinen und Tempel der Welt und findet sich diesmal auf der Suche nach einem sagenumwobenen Dolch, der irgendwo in den tiefen Dschungeln Mexikos vermutet wird, nicht wissend, dass eben dieser Dolch ein großes Unheil über die Welt bringen kann. Aber das stört eine Lara Croft eher weniger, die recht naiv und trotz aller Warnungen ihre Hände danach ausstreckt. Ups, und schon steht die Apokalypse vor der Tür!
Wie Lara herausfinden wird, setzt der Dolch ein Ritual in Gang, welches das Ende der Welt herbei beschwört – ein Ende, das schon lange von einem uralten Stamm vorhergesagt wird und nur dann abgewendet werden kann, wenn man dieses Ritual auch zu Ende führt. Aber wo man bekommt man so schnell einen würdigen Gott dafür her? Dafür bedarf es nun jede Menge Rätsel zu lösen, heilige Artefakte zu finden und lebensgefährliche Herausforderungen zu meistern. Damit nicht genug, sieht sich Lara noch immer dem Kampf gegen den Trinity-Orden gegenüber, die ihre ganz eigenen Pläne und Ziele verfolgen und diese Gelegenheit nutzen wollen, um eine neue Weltordnung zu erschaffen.
Die Story von “Shadow of the Tomb Raider” könnte kaum perfekter sein, die genau das liefert, was man von einem echten Tomb Raider-Adventure erwartet. Hier wandelt man fast ausschließlich auf den Spuren alter Kulturen, die irgendwo zwischen den Inka und Maya leben, durchforstet uralte Tempel und Ruinen, findet eine geheime Stadt und stößt ganz nebenbei auf die letzten Geheimnisse der Menschheitsgeschichte. Klar, auch die wohl größte Konkurrenz – Uncharted – hat ähnlich spannende Geschichten zu erzählen, was “Shadow of the Tomb Raider” allerdings so besonders herausstechen lässt ist, dass man sich ausschließlich innerhalb dieser alten Kulturen und durch den Dschungel bewegt und sich nicht plötzlich an modernen Schauplätzen wiederfindet. Somit kann man sich wahrhaft in der Spielwelt verlieren und wird nur selten daran erinnert, dass man eigentlich schon im 21. Jahrhundert lebt.
Endlich erwachsen …
“Shadow of the Tomb Raider” zeigt dabei aber nicht nur, wie Lara zur unerschrockenen Heldin wird, sondern dass sie inzwischen auch erwachsen ist. Das merkt man besonders an den zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem zu ihrem besten Maori-Freund Jonah, der nicht mehr nur wie ein Erfüllungsgehilfe nebenher läuft, sondern um den sich Lara nun auch mal echte Gedanken macht und hin und wieder zeigt, wie schmerzlich sein Verlust wäre. Auch kommen viel öfter sentimentale und nachdenkliche Momente zum Einsatz, in denen Lara an sich selbst zweifelt, welchen Sinn sie überhaupt verfolgt oder sehr oft auch an ihre Familie und besonders an ihren Vater, der sie so sehr geprägt hat. Eigens hierfür kann man sich auf ein wirklich charmantes Bonuslevel freuen, auch wenn die Idee dazu nicht gänzlich neu ist.
Lara wird zur Guerilla-Kämpferin
Was den großen Vorteil an der aktuellen Trilogie darstellt ist, dass Lara schon ziemlich viel in Sachen Gameplay beherrscht. Während sie im Original gerade mal lernte mit dem Bogen umzugehen, landet sie Kopftreffer damit jetzt schon im Schlaf. Aber auch andere Dinge, wie der Kletterhaken oder der geschickte Umgang mit dem Messer, sind ihr inzwischen alles andere als fremd und können im aktuellen Abenteuer mithilfe eines Skill-Trees noch weiter ausgebaut werden. Sozusagen eine NewGame+ Option zu den vorherigen Spielen. Aber auch gänzlich neue Ideen finden sich in “Shadow of the Tomb Raider” wieder, vor allem in den Stealth-Mechaniken. Die meiste Zeit und im Kampf gegen Trinity bietet es sich eher an, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern den defensiven Weg zu wählen. Eigens hierfür kann man sich jetzt auch mit Schlamm anpinseln, um sich noch besser vor den Gegnern und im Schutz des hohen Grases zu verstecken, oder diese aus Baumwipfeln heraus an einem Seil aufzuhängen, um anschließend im Dickicht des Dschungels wieder zu verschwinden. All diese Ergänzungen lassen sich im Laufe des Spiels freischalten und erweitern und geben euch verschiedenste Spielstile in die Hand, auch wenn sie letztendlich in eher wenigen Passagen zum Einsatz kommen. Sie unterstreichen aber wunderbar den teils gnadenlosen Ansatz, mit dem euch der Dschungel ebenfalls an jeder Ecke verfolgt.
Besonders gefällt hierbei die Möglichkeit, seinen Schwierigkeitsgrad unabhängig von Kampf, Rätsel und Gelände festzulegen. Möchte man eher die Story und das Abenteuer genießen, lässt sich der Kampf auf leicht bis normal einstellen, während man bei Rätseln auf schwer keinerlei Hinweise bekommt und selbst zusehen muss, wie diese zu meistern sind. So entsteht deutlich mehr Individualität, wie man das Abenteuer erleben möchte.
Dennoch bleiben auch altbekannte Mankos der Serie nicht aus, die weiterhin ein wenig an der Authentizität oder den eigenen Nerven zweifeln lassen. Da wären immer noch die unglaublichen Entfernungen, die Lara im Sprung zurücklegt und dennoch irgendwie immer schafft, nebst kurioser Animationen in Fluchtpassagen, die zwar das Gefühl von dynamischer Action vermitteln sollen, aber irgendwie selten zu dem passen, was man gerade auf dem Controller drückt. Auch das unpräzise Abspringen verfrachtet einen oft in das bekannte Trial-and-Error Prinzip, um entsprechende Abschnitte hinter sich zu bringen.
Man sieht den Dschungel vor lauter Palmen nicht
Was das Level-Design von “Shadow of the Tomb Raider” betrifft, hat man sich bis auf wenige Ausnahmen auf eine lineare Erfahrung festgelegt. Umso beeindruckender ist aber auch die Dichte, mit der euch diese Spielwelt und der Dschungel umgibt, in dem man sich die meiste Zeit aufhält. Etwas Vergleichbares hatte auch Uncharted bisher nicht zu bieten, sodass man sich fast ausschließlich durch dichtes Gebüsch, an Felswänden entlang oder durch klaustrophobische Unterwasserhöhlen zwängt. Zur Abwechslung gibt es aber auch immer wieder imposante Tempel zu erforschen, die wie aus dem Nichts auftauchen, oder gar gruselige, alte Galeeren, wenn man die bekannten und optionalen Gräber erkundet. Etwas offener geht es hingegen in dem Dorf Paititi zu, das eine Art zentralen Punkt im Spiel bildet und das nur so voller Leben strotzt. Hier und an vergleichbaren Orten lassen sich zudem immer Hinweise auf weitere Relikte oder Gräber finden, was den Spieler dazu anhält, sich etwas intensiver mit den Leuten auszutauschen und nicht einfach hindurch zu rennen.
Diese wundervolle Adventure-Spielwelt wird zudem durch eine technische Glanzleistung abgerundet, mit der sich “Shadow of the Tomb Raider” insbesondere auf der PS4 Pro und mit Features wie HDR präsentiert. Kleinere Fehler, wie etwa hier und da nachladende Texturen, fallen da kaum ins Gewicht und waren nur sehr selten zu beobachten. Es ist aber mit Abstand das wohl schönste Tomb Raider-Spiel, das es je gab und das technisch absolut auf der Höhe der Zeit ist.
Abschließend ist natürlich auch die musikalische Untermalung ein wesentlicher Punkt, der die Atmosphäre gelungen unterstreicht. Diesmal aus der Feder von Komponist Brian D’Oliveira, der für seine Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Entsprechend dem Setting erwarten euch hier passende, meist mystische Klänge und Trommeln, die durch den Dschungel hallen, aber teils auch sehr düstere und imposante Einlagen, die im Einklang mit Entdeckungen einher gehen. Lediglich die Abmischung in Gesprächen ist häufig deutlich zu leise oder verläuft asynchron zur Lippenbewegung, was die hervorragende Leistung der Synchronsprecher an sich jedoch nicht in den Schatten stellen soll.