Das unerträgliche Warten auf die neue Episode von „Life is Strange: Before the Storm“ hat seit dem gestrigen Dienstag ein Ende, an dem Square Enix und Deck Nine das Staffelfinale veröffentlicht haben. Schafft es die Prequel-Story das Original zu übertreffen und den einzigartigen Charme dieses Überraschungs-Franchise von Dont Nod bis zum Ende aufrecht zu erhalten? Wir haben uns hierfür knapp 10 Stunden innigen Momenten, dramatischen Ereignissen und dem Gefühl echter Freundschaft hingegeben.
Was bedeutet Freundschaft?
Anders als das original „Life is Strange” von Dont Nod geht es in „Before the Storm“ nicht unbedingt um mysteriöse Ereignisse, Superkräfte oder Momente, die einen bis zur letzten Sekunde fast zerreißen. Die Thematik, die hier im Mittelpunkt steht, ist die Freundschaft zwischen zwei Teenagern, die sich in Hochs und Tiefs des Lebens immer aufeinander verlassen können. Während in Episode I die Dinge rasant an Fahrt aufnahmen, ein ganzer Wald in Flammen aufging, und unsere Protagonistinnen Rachel und Chloe zu unzertrennbaren Freundinnen werden, schlagen in Episode II beide einen rebellischen Weg ein und beschließen, die Stadt gemeinsam verlassen zu wollen, die sie bis dahin so furchtbar enttäuscht hat.
Kurz vor ihrer „Flucht“ kommt allerdings alles anders und Rachel muss die Wahrheit über ihre Mutter erfahren, was ihr Leben erneut komplett auf den Kopf stellt. Ohne jetzt zu viel verraten zu wollen, lernt man so erneut die dunkle Seite von Arcadia Bay kennen, es kommt zu dramatischen Aufeinandertreffen, einstige Freunde oder Familie offenbaren ihr wahres Gesicht und am Ende steht wieder die eine wichtige Entscheidung, in der ihr euch selbst fragen werdet: Was bedeutet echte Freundschaft und was seid ihr bereit für euch oder andere zu opfern?
Der Grundton in „Life is Strange: Before the Storm” ist der Gänze ein komplett anderer als noch im Original. Entwickler Deck Nine schafft es damit allerdings extrem glaubhaft das Thema ‚Freundschaft‘ zu vermitteln und genau solche Momente aufzugreifen, die einem nur allzu vertraut vorkommen oder die man einmal selbst so oder so ähnlich schon erlebt hat. Der spielerische Part kommt damit zwar etwas kurz, da man sich hauptsächlich auf das Erzählen der Story und viele Dialoge konzentriert, hierdurch steht das Spiel von Deck Nine allerdings auch für sich und bleibt sich zugleich seinem Konzept treu, dass die Life is Strange-Fans so lieben.
Übrigens endet „Life is Strange: Before the Storm“ nicht dort, wo die Ereignisse von dem original „Life is Strange“ aufgegriffen werden. Bis dahin vergehen in der Zeitlinie noch gut drei Jahre, die Deck Nine womöglich für eine weitere Staffel nutzen wird, wie erst kürzlich angedeutet. Womöglich erfährt man also noch sehr viel mehr über Rachel und Chloe.
Entscheidungssystem rückt etwas in den Hintergrund
Was das original „Life is Strange” so sehr ausgemacht hat, war unter anderem das Entscheidungssystem, das einem stets das Gefühl gab, es gibt nie die eine richtige Wahl, die man treffen kann. Alles kann verheerende Konsequenzen nach sich ziehen, was einen stets nur zögerlich auf den Knopf drücken ließ. In „Life is Strange: Before the Storm“ gibt es ebenfalls dieses Entscheidungssystem, das nach drei Episoden jedoch nicht so tiefgreifend wirkt wie damals. Klar, hier und da versucht man damit die Spannung nach oben zu treiben, letztendlich sind es aber nur Kleinigkeiten, die man damit beeinflusst, ausgenommen die eine letzte und große Entscheidung, die eure Freundschaft mit Chloe womöglich auf die Probe stellt.
„Life is Strange: Before the Storm” lebt vielmehr davon, euch immer wieder mit dramatischen Situationen zu konfrontieren, die einem im Leben so treffen können. Ob man will oder nicht, diese passieren einfach, auch ohne dass ihr darauf großartig Einfluss ausgeübt habt und nun das Beste daraus machen müsst. Damit wäre man wieder an dem Punkt, an dem „Before the Storm“ für sich steht, wo man alle Kräfte auf die Erzählung der Story gerichtet hat und in der man den Spieler intensiv daran teilhaben lässt, so, als würde das Ganze gerade vor der eigenen Haustüre passieren. Dies ist es auch nach wie vor, was „Life is Strange“ so sympathisch macht, warum man sich in der Spielwelt wie Zuhause fühlt und was letztendlich diesen wohligen Charme des Spiels vermittelt.
Chloe´s Superkraft
Auch wenn man das Rewind-Feature aus dem Original komplett gestrichen hat, kann Chloe ihre ganz eigene Superkraft nutzen – das Backtalk-Feature. Dieses erlaubt ihr, einen Talk-Fight auszuüben, in dem sie genau zuhört, was ihr Gegenüber sagt und es dann gegen ihn ausspielt. Dieses Feature kommt in der dritten Episode leider etwas zu kurz und wird nur noch einmal angewandt, was zudem keine großartigen Konsequenzen nach sich zieht, da die Szene so oder so den gleichen Ausgang nimmt, lediglich mal mehr, mal weniger dramatisch.
Vertrautes Arcadia Bay
Nach wie vor setzt auch „Life is Strange: Before the Storm“ auf den markanten handgezeichneten Aquarell-Look, der bis ins kleinste Detail gefällt. Die Spielwelt wurde mit viel Liebe ausgestaltet, überall gibt es kleine Geheimnisse und Entdeckungen, vieles erinnert auch an das original „Life is Strange“ und offenbart, wie es zu bestimmten Dingen gekommen ist, die man später sehen wird. Ein Highlight dabei ist natürlich das Tagebuch von Chloe, die alles für Max später aufschreibt und so einige Ergänzungen in der Erzählung offenbart. Es lohnt sich also, nicht nur stur seinen Aufgaben zu folgen, sondern sich auch mal abseits umzusehen. Oftmals entdeckt man dabei Dinge, die euch später nützlich sein werden. Zudem gibt es viele Rückblenden, die einige Nebenstories erläutern, etwa der Unfalltod von Chloe´s Vater, warum Nathan und Victoria so sind wie sie sind, warum Frank nicht nur ein krimineller Drogendealer ist usw. Hierdurch wird das Gesamtbild von „Life is Strange“ ungemein angereichert und lässt auch andere Sichtweisen auf das Original zu.
Abgerundet wird diese einfühlsame Story wieder von dem hervorragenden Soundtrack, der erneut eine gelungene Mischung aus Rock, Pop und sanften Melodien umfasst, die euch Szenengerecht präsentiert werden. Ebenso ist die Synchronsprecherleistung wieder erstklassig umgesetzt, die damit glaubhaft zum Ausdruck bringen, was man bei Deck Nine mit „Life is Strange: Before the Storm“ vermitteln wollte.