Sind AAA-Indie-Studios ein neuer Lichtblick in der Spiele-Industrie?

Die Anzahl der Indie-Studios ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Sie haben die Freiheit, kreative und innovative Spiele zu entwickeln, die sich nicht an den Mainstream-Konventionen orientieren.

Mark Tomson
[@] PlayFront since 2022 | based in London | Pixels, hardware & the occasional controversy
5 Min Read

Die derzeitige Entwicklung in der Spiele-Industrie ist gefühlt alles andere als das, was sich die Spieler gewünscht haben. Große Publisher wie EA, Sony oder Warner Bros. reißen die Marschrichtung an sich und erklären ihren Weg als den einzig richtigen. Auf der Strecke bleiben vor allem diejenigen, die mit klassischen Spielerfahrungen groß geworden sind und zunehmend das Gefühl bekommen, dadurch abgehängt zu werden.

Einen Lichtblick gibt es dennoch, der sich in der größer werdenden Anzahl an Indie-Studios wiederfindet, oder verständlicher beschrieben „unabhängige Studios“, die nicht so sehr dem Einfluss der Publisher ausgeliefert sind. Blickt man einige Jahre zurück, da waren Spiele-Entwickler einfach nur Spiele-Entwickler und Publisher einfach nur Publisher. Jeder hatte seine Aufgabe.

Irgendwann setzte „leider“ der Trend ein, wo sich vor allem große Publisher ganze Entwickler einverleibt haben und ein Kampf um die Studios begann. Zwischen Microsoft und Sony entbrannte ein regelrechter Wettbewerb in den letzten Jahren, aber auch EA und Warner Bos. sind solche Kandidaten, die das Geld und die Mittel dazu hatten. Im Nachhinein war das für Entwickler vielleicht ein sicherer Hafen, für die hochgelobte Vielfalt und Kreativität in der Spiele-Industrie möglicherweise aber nicht die beste Idee.

Abhängigkeit auf Kosten

Denn was im Anschluss auf der Strecke blieb, war oftmals nicht nur die besagte Kreativität, sondern vor allem auch das Mitspracherecht einiger Top-Entwickler. Ab da hieß es meist Fortsetzung um Fortsetzung oder brandaktuell ein Live-Service-Game nach dem anderen. Sonys Entwicklung in den letzten Jahren beschreibt es in Teilen recht gut.

Nimmt man einmal Insomniac Games, die bis vor wenigen Jahren noch komplett unabhängig waren: möchte diese wirklich bis nach 2030 nur Marvel-Spiele entwickeln? Bei Naughty Dog ist es ebenfalls schwer vorstellbar, dass man dort von sich aus ein Live-Service-Game entwickeln wollte, das sie viele Jahre unterstützen müssen. Bei Warner Bros. ist es Mortal Kombat (Netherrealm), bei EA und Criterion Games die Need for Speed-Serie. Hinter all diesen Serien standen einmal unabhängige Studios, die bis zum Zeitpunkt ihrer Übernahme auch ganz andere Spiele entwickelt haben.

Insomniac Games mutiert seit der Übernahme durch Sony zum Marvel-Studio
Insomniac Games mutiert seit der Übernahme durch Sony zum Marvel-Studio

Den großen Publishern stellen sich zunehmend jetzt die unabhängigen Studios entgegen, und zwar jene, die ähnlich große Produktionen auffahren. Erst in dieser Woche haben sich Giant Skull und Emptyvessel gegründet, hinter denen absolute Veteranen der Spiele-Industrie stehen. Hier ist unter anderem die Rede vom früheren God of War-Macher Stig Asmussen, der sich mit Leuten von Rocksteady und Epic Games zusammengetan hat. Emptyvessel vereint Leute von Naughty Dog, Gearbox oder Crystal Dynamics hinter sich. Beide Studios haben erklärt, dass sie starke und immersive Singleplayer-Erfahrungen entwickeln möchten, die an erster Stelle nicht auf das finanzielle Auspressen der Spieler ausgelegt sind.

„Durch die Priorisierung und Ausrichtung auf unsere Stärken sind wir zuversichtlich, dass es möglich ist, mit kleineren, fokussierten Teams Spiele in AAA-Qualität zu entwickeln,“ sagte Emanuel Palalic, CEO und Game Director bei Emptyvessel.

Besser früh als zu spät

Die Idee dieses unabhängigen Daseins und trotzdem groß abliefern können, ist alles andere als neu. Ich würde mal behaupten, dass IO Interactive diesen Schritt sehr früh für sich als richtigen erkannt hat, bevor sie möglicherweise als Square Enix-eigenes Studio unter die Räder gekommen wären. CD Projekt ist ein weiteres und gutes Beispiel, die trotz eines herben Rückschlags mit Cyberpunk 2077 auf ihre Unabhängigkeit behaarten und das Publishing-Geschäft inzwischen selbst übernehmen. Hätte ein solcher Schritt andere Entwickler ebenfalls retten können, wenn man zum Beispiel an Volition Games denkt?

Grundsätzlich ist es nicht verkehrt, wenn sich Studios einem großen Publisher oder noch besser einem Plattform-Inhaber anschließen. Das gewährt ihnen meist Zugang zu mehr Ressourcen und ausreichend finanziellen Mitteln, nimmt ihnen gleichzeitig aber auch gewisse Entscheidungsfreiheiten oder es droht im schlimmsten Fall das Aus, wenn es mal nicht so gut läuft.

Ob Studios wie Giant Skull oder Emptyvessel Erfolg haben werden, ist bisher nicht absehbar. Ein solches Vorhaben kann letztendlich auch schiefgehen, wie zuletzt an Deviation Games gesehen, wobei es hier vermutlich das eher schwierige Live-Service-Genre war. Für die Spieler gehen unabhängige Indie-Studios am Ende aber oft den besseren Weg, bei denen diese definitiv mehr im Mittelpunkt stehen.

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