TEST: Call of Duty Vanguard – Hier lohnt sich der Shooter wirklich

By Christian Götzinger Add a Comment
11 Min Read

Jedes Jahr hat vier Jahreszeiten, zwei Zeitumstellungen, ein Weihnachtsfest und ein neues Call of Duty. Das ist so sicher wie das neue FIFA im weihnachtlichen Händlerregal und gilt schon seit fast 20 Jahren so. Die meisten Käufer schlagen dabei aufgrund des intensiven Multiplayers zu, während die Kampagne von einem Großteil nicht einmal begonnen wird. Wieso auch? Schließlich ist die Schießbudenballerei gegen entweder grenzdebile oder auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad nahezu unbezwingbare Computergegner spätestens nach dem zehnten Ableger doch irgendwann sterbenslangweilig.

Geniale Momente, wie die damals hochgelobte Tschernobyl-Mission beim mittlerweile bereits neuaufgelegten Klassiker „Modern Warfare“, suchte man bei den Nachfolgern stets mit der Lupe und in der Regel vergebens. Wieso hartgesottene Multiplayer-Fans aber dieses Mal beim neuesten Ableger Vanguard über ihren eigenen Tellerrand hinausschauen sollten, verraten wir euch in unserem Test.

Story: Und täglich grüßt das Murmeltier

Die Story des Einzelspielers dreht sich mal wieder um einige Elitesoldaten, die einen Bösewichten, dieses Mal einen fiktiven Nazi namens Friesinger, zu Fall bringen müssen. Schauplatz ist nämlich nach einigen Jahren mal wieder der zweite Weltkrieg, in den es in der CoD-Reihe zuletzt 2017 verschlug. Soweit bekannt, soweit so langweilig. Ihr begleitet dabei in erster Linie die Hauptcharaktere bei ihren Vorgeschichten, während ihr nur in zwei Missionen gemeinsam unterwegs seid. Das ist insofern schade, weil ein wirklicher Teamgeist nicht wirklich aufkommen kann und die Vorgeschichten auch nur einen begrenzten Spielraum bieten, denn schließlich wisst ihr schon, dass „ihr“ überlebt. Gepaart wird dies zwar mit filmreifen Zwischensequenzen inklusive stimmiger Synchronisation, bei denen die Hauptstory in der Gegenwart vorangetrieben wird und das Team gemeinsam agiert, aber durch die Passivität des Spielers wirkt dieser Geschichtsstrang eher wie ein belangloses Beiwerk. Hier geht leider viel Potential flöten. Umso mehr mag es zunächst verwundern, dass die Kampagne trotzdem eine der besten und vielleicht sogar die beste, die Call of Duty je gehabt hat, darstellt.

Call of Duty Vanguard story

Spannende, statt nur filmreife Inszenierung

Das Potential von Vanguards Einzelspieler liegt nämlich weniger in der Geschichte an sich, sondern der Inszenierung der einzelnen Missionen. Selbst ohne den eigentlich so wichtigen emotionalen Zusammenhang zwischen den Kapiteln schafft es Entwickler Sledgehammer Games, ein fesselndes Ereignis zu bieten, das die erwähnte Tschernobyl-Mission fast zu toppen vermag. Während Gespräche und Momente ohne hirnloses Geballer in vergangenen Teilen häufig zäh, unbedeutend und einfach nervig wirkten, gelingt es nun zumindest in sehr vielen Momenten, für ein wirklich spannendes und eben nicht nur übertrieben filmreifes Erlebnis zu sorgen.

Beispielsweise erkunden wir in einer Mission zunächst das befestigte Stalingrad, wobei wir einen authentischen Eindruck in das alltägliche Leben zur Kriegszeit erhalten, bevor wir – zugegeben etwas zu erwartbar – vor dem plötzlichen Angriff der Deutschen fliehen. In anderen Missionen schleichen wir durch den asiatischen und überraschend echt wirkenden Dschungel oder das besetzte Stalingrad, mit dem Scharfschützengewehr im Anschlag, wobei jeweils die besagte Tschernobyl-Mission sicherlich als Vorbild diente. Gepaart wird dies mit einem unzensierten und dadurch extrem ungewohnten und bedrückenden Kriegsszenario, das weder vor halb zerfetzten Köpfen und Körpern, noch vor nationalsozialistischer Symbolik, Rhetorik sowie Bezüge auf deren tatsächlicher Persönlichkeiten Halt macht.

Call of Duty Vanguard review

Die Autoren nutzen somit die hierzulande nun erst seit wenigen Jahren anerkannte künstlerische Freiheit in Videospielen so weit aus, dass es fast weh tut. Braucht es das? Sicherlich nicht, aber die Auswirkungen auf die dadurch intensivere Inszenierung sind nicht von der Hand zu weisen. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass diesbezüglich langsam mal das Ende der Fahnenstange erreicht ist, da ansonsten Medizinstudenten bald authentisch mit Call of Duty und Co sezieren lernen könnten. Auch beispielsweise die teils moralisch fragwürdige Gewaltanwendung durch die vermeintlichen Helden wird an der ein oder anderen Stelle überraschend unkommentiert präsentiert und regt daher nicht den teils von ähnlichen Spielen gebotenen Reflexionsmechanismus an, der bei der Thematik an der ein oder anderen Stelle geboten wäre. Ohne die Moralapostel spielen zu wollen: Hier wird mittelfristig Diskussionsbedarf bestehen, wo doch wieder Grenzen oder zumindest Standards gesetzt werden sollten. Die USK scheint hier zumindest nicht mehr aktiv werden zu wollen. Wenn der sonst so strenge deutsche Rotstift bei Vanguard nicht angesetzt worden ist, wird er wohl so schnell nicht mehr ausgegraben werden.

Multiplayer: Altbewährtes trifft auf Hektik

Offenbar waren die Entwickler der Meinung, dass in vergangenen Reihen noch nicht genug virtuelle Avatare ihr Leben lassen mussten. Alternativ sollen die Spieler vielleicht einfach kaum Zeit zum Atmen bekommen, damit man wie ein Glücksspielsüchtiger bloß immer wieder den Hebel der Slotmachine in Form des Wiedereinstieges drückt. Anders lässt es sich kaum erklären, wieso in den Standardeinstellungen ein sofortiger Einstieg eingestellt ist, der leider nicht mehr nur in absoluten Ausnahmen, sondern regelmäßig direkt neben dem Feind oder gar dem gesamten gegnerischen Team erfolgt und für eine Lebensdauer von unter einer Sekunde sorgt. Was in unserem ersten Spiel wie ein Bug auf uns wirkte, da die Einstiege bei allen Vorgängern stets einem einigermaßen nachvollziehbaren Muster folgten, scheint fest zum Spielprinzip von Vanguard zu gehören: Action, Action, Action. Mehr denn je.

Call of Duty Vanguard multiplayer

Bei den Spielern sorgt das für noch kontroversere Meinungen, denn grundsätzlich funktioniert alles wie gewohnt und gibt ein verhältnismäßig stimmiges Gesamtbild ab, das bislang häufig erst nach einigen Patches erreicht wurde. Das Respawnsystem, welches eher zufällig als wirklich systematisch wirkt, macht hier jedoch einiges zunichte. Vor allem für Gelegenheitsspieler, die dadurch noch wahrscheinlicher zum die Killstreak erhöhenden Futter für Erfahrene werden, dürfte Vanguard schnell eine frustrierende Erfahrung bieten. Aber auch selbsternannte Profis werden nicht erfreut sein, wenn die eigene Serie durch den Respawn eines Feindes zwei Meter hinter ihnen durchbrochen wird, denn für das Ableben sind dank extrem niedriger „Time to Kill“ kaum Treffer nötig, weshalb gekonntes Reagieren meist kaum möglich ist. Es würde uns daher sehr überraschen, wenn beim Respawn nicht noch nachgebessert werden würde, denn dieser verträgt sich einfach nicht mit der niedrigen TTK. Wir hoffen es zumindest. Mit einigen Anpassungen würde Vanguard nämlich definitiv zu den besseren Multiplayertiteln der Reihe gehören, wenngleich uns WWII im Direktvergleich noch etwas besser gefallen hat.

Zombies: Setzen, sechs!

So sehr wir uns auf den neuen Ableger der Zombies-Reihe gefreut haben, so sehr wurden wir enttäuscht. Hier gibt es in seiner aktuellen Form nichts zu beschönigen: Es handelt sich leider um den bislang schlechtesten Zombies-Teil der Reihe. Statt eine oder gar mehrere (wir schwelgen noch in Erinnerung an das grandiose BO4-Zombies mit drei Maps zum Start) abwechslungsreiche Maps mit ausgeklügelten Easter-Eggs zu bieten, bekommen wir eine einzige Karte, auf der es nur um eines geht: Zombies töten. Nichts zum Sammeln, nichts zum Finden (Audiobänder abgesehen), nichts zum Erreichen, ja nicht mal an der Wand kaufbare Waffen, einfach nur gähnende Langeweile. Wir können uns auf einer Hauptkarte zwischen Portalen entscheiden, die uns an drei verschiedene Mini-Orte mit einer kleinen Aufgabe führen und am Ende mit einer Währung belohnen, für die wir Perks für das laufende Spiel kaufen können.

Diese wiederholen sich immer und immer wieder, wobei lediglich die Zombies mehr aushalten. Welche Idee dahinter steckt, kann nur gerätselt werden. Wir hoffen, diese Schmach liegt lediglich an einem engen Zeitplan und die richtigen Inhalte werden zügig nachgereicht. Bis dahin kann man Zombie-Fans nur dringend vom Kauf abraten. Es wird keinen einzigen Fan geben, der mit dem aktuellen Zustand glücklich sein wird. Punkt.

Call of Duty Vanguard zombies

Durchwachsene Technik

Optisch bietet die Kampagne eine solide Grafik mit vereinzelten echten Highlights bei Lichtreflexionen und Detailgrad der Umgebung. Leider hatten wir jedoch bei unserer PS5-Version trotz ultraschneller SSD mit nachladenden Texturen zu kämpfen, die sich vor allem im Hintergrund stark bemerkbar gemacht haben. So luden immer wieder einzelne Elemente nach und stochen daher auch dann ins Auge, wenn man nicht explizit danach gesucht hat. Zudem kam es zu vereinzelten Abstürzen. Wir mussten sogar trotz der Speicherung auf der verbauten und halbleeren 2TB-SSD zunächst Speicherplatz auf der internen SSD löschen, um das Spiel überhaupt starten zu können. Eine Info hierzu gab es nicht, das Spiel fror beim Start einfach nur ein, dafür jedoch zahlreiche Interneteinträge von Leidensgenossen.

Auch die technischen Besonderheiten der PS5 werden noch nicht ausreichend genutzt. Wir mussten all unsere DualSense-Controller durchprobieren, um zu überprüfen, ob die Umsetzung der adaptiven Trigger wirklich so schwach ist. Unterschiede zwischen den Waffen sind so subtil, dass sie ohne direkten Vergleich kaum mehr wahrnehmbar und dadurch im Prinzip überflüssig sind. Während dies für den Multiplayer aufgrund des Crossplays durchaus noch vertretbar ist, enttäuscht dies beim Einzelspieler.

Bombastisch wie eh und je, vermutlich sogar mit einer Schippe obendrauf, präsentierte sich bei unserem Test im Dolby Atmos Heimkino die Soundverarbeitung von Vanguard. Besser machen es Hollywood-Blockbuster nicht. Hut ab!

TEST: Call of Duty Vanguard – Hier lohnt sich der Shooter wirklich

"Wer mit einem hohen Detailgrad an Gewalt und (natürlich immerhin negativ dargestelltem) Nationalsozialismus leben kann, der erhält bei Vanguard eine sowohl spielerisch als auch optisch überraschend abwechslungsreiche Kampagne mit gewohnt flacher Story aber genialer Inszenierung.

Der Multiplayer spielt seine gewohnte Stärken bei Spielbarkeit, Waffenvielfalt sowie Abwechslung aus, bietet aber durch sein quasi nicht vorhandenes und dadurch unfaires Respawnsystem eine hohe Angriffsfläche für Kritik, wird aber durch die daraus resultierende extreme Geschwindigkeit sowie ein vielfältiges Fortschrittssystem auch dauerhaft eine gewisse Fanbasis bei Laune halten können.

Enttäuschendes Schlusslicht des insgesamt durchaus soliden Vanguard stellt der Zombies-Modus dar, der seinen Namen nicht verdient und entweder dringend ergänzt, oder ganz entfernt werden sollte, um hoffentlich mit einem richtigen EasterEgg wiederaufzuerstehen."

Plus
spannende, abwechslungsreiche Kampagneninszenierung
vielfältige Mehrspielermodi
bombastischer Sound
Minus
miserabler Zombies-Modus
technische Probleme
kein Splitscreen mehr bei Zombies
8.3
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