Lange ist es her: 1999 erschien „Digimon World“ auf der PlayStation 1 im japanischen Raum; ein knappes Jahr später fand der Titel dann auch den Weg nach Europa und ist für viele wohl eine DER Kindheitserinnerungen.
Inzwischen sind 17 Jahre vergangen, doch die Geschichte scheint sich fast zu wiederholen: Anfang 2016 erscheint für die PS Vita „Digimon World: Next Order“ in Japan, knapp ein Jahr später folgt eine überarbeitete Version auch für die PS4 bei uns. Dabei versucht man die Erfolgswelle von „Digimon Story: Cyber Sleuth“ ein wenig auszunutzen und mit diesem Titel erneut einen Hit zu landen. Dabei gibt es jedoch einige gravierende Unterschiede, bei denen man sich vor allem an dem Klassiker orientiert hat.
Gemeinsam seid ihr stark, ohne Fleiß kein Preis
Die Story lässt sich relativ schnell zusammenfassen: Unsere Figur, je nach Wahl männlich oder weiblich, möchte ganz gemütlich eine Runde mit seinen Digimon spielen, als man plötzlich von seinem DigiVice in die DigiWelt gezogen wird. Und nicht nur das, man steht auch direkt einem mächtigen Machinedramon gegenüber, das für Chaos und Zerstörung sorgt. Zum Glück eilen schnell zwei Gefährten herbei, die einen Verteidigen und das Machniedramon besiegen. Der Kampf hat allerdings Kraft gekostet, weshalb man in das Dorf Floatin gelangt. In diesem wird man bereits von dem gelehrten Jijimon erwartet, das einem von der Gefahr der Machinedramon erzählt und davon, dass ganz viele Digimon aus dem Dorf geflohen und über die ganze Welt nun verstreut sind. Seine Bitte: Die Gefahr besiegen und die Bewohner zurückholen, damit die Stadt wieder in ihrem alten Glanz erstrahlen kann.
Ganz alleine wäre man dabei natürlich ein wenig aufgeschmissen, deshalb dürfen wir uns von Jijimon nicht eins, sondern zwei Digieier aussuchen, aus denen direkt zwei Monster schlüpfen. Diese beiden begleiten uns von nun an ihr Leben lang, um die Abenteuer mit uns zu bestreiten, Feinde zu besiegen und selbst stärker zu werden.
Hierin liegt auch schon einer der wesentlichen Unterschiede zu „Digimon Story“, denn während man bei diesem die Digitationen gezielt auswählen konnte, kommt es bei „Digimon World: Next Order“ wie im PS1-Titel auf die einzelnen Attribute der Monster an. Sie entwickeln sich nur, wenn sie schnell oder stark genug sind, oder wenn sie bestimmten Ereignissen ausgesetzt sind. Die Voraussetzungen werden dabei im Laufe der Zeit aufgedeckt, wodurch gezielter Fertigkeitenaufbau immer leichter wird. Auch das Verhältnis zum Tamer, der Gehorsam oder die Freude haben Einfluss auf die Entwicklung. Daher ist es auch wichtig, auf die Bedürfnisse seines Teams, wie etwa Hunger oder Müdigkeit einzugehen. Die richtige Wahl der Nahrung und des Trainings im Gym sind von großer Bedeutung. So kommt es gerade am Anfang dazu, dass man viele Stunden mit Training verbringt, um in der Digiwelt nicht direkt am ersten Gegner zu scheitern. Das Training erfolgt dabei durch Auswahl der jeweiligen Attribute, die man verbessern will, gefolgt von einer Art Glücksrad, in dem man um seinen Bonus spielt, wie etwa besseres Wachstum oder größere Freude.
Im Laufe der Zeit wird die Trainingsdauer aber immer angenehmer, denn selbst wenn ein Teammitglied an Altersschwäche stirbt und als Ei wiedererweckt wird, bleibt ein Teil der Stärke erhalten; man startet also nicht wieder bei 0. Daher sollte man sich nicht direkt entmutigen lassen, auch wenn es zu Beginn etwas lahm und schleppend erscheint. Der Titel ist daher eindeutig als längeres Projekt anzusehen, nicht nur als Unterhaltung für zwischendurch. Außerdem ergibt sich durch den Tod durch Altersschwäche etwa auch die Notwendigkeit, sich immer wieder neu mit seine Partnern zu befassen, mit den über 200 Monstern zu experimentieren und sich nicht nur im Gym aufzupumpen, sondern die Zeit aktiv zu nutzen.
Sind wir mit der Stärke des Teams zufrieden, begeben wir uns auf die Reise. Unser Primärziel: neue Digimon dazu bringen, ins Dorf zu ziehen. Daher begegnen uns unterwegs die verschiedensten Monster, vom kleinen Palmon bis hin zum starken Kabuterimon. Das schöne dabei: alle haben ihre eigenen Missionen und Voraussetzungen, die es zu erfüllen gibt, ehe sie ins Dorf kommen. Die einen wollen etwas Bestimmtes zu essen haben, die anderen suchen ihre Freunde und wieder andere wollen einen guten Kampf. Die Monster ziehen aber nicht einfach so ins Dorf, sie erfüllen auch alle eine wichtige Funktion und helfen uns: Besseres Training, ein Item-Shop oder mehr Nahrung vom Fleischfeld. Die Suche hat also durchaus auch ihren Sinn. Das sorgt nicht nur für eine gute Motivation, sich immer wieder in die Digiwelt zu stürzen, sondern macht auch Spaß, seinen eigenen Fortschritt gut zu spüren.
Allerdings verläuft die Reise nicht immer glimpflich, und so greifen uns immer wieder wilde Digimon an. Anders als in „Cyber Sleuth“ steuert man in „Next Order“ aber nicht direkt die Teammitglieder, sondern sagt diesen, was sie tun sollen, motiviert sie oder gibt ihnen Items. Die Angriffe erfolgen dabei zunächst automatisch, man kann allerdings unter Einsatz sogenannter „Kommandopunkte“ Angriffe vorschreiben. Die verfügbaren Punkte erhöhen sich pro Monster durch Zurufe, die alle fünf Sekunden verfügbar sind. Hat man genug davon zusammen, können beide zusammen auch ihre eigenen mächtigen Attacken ausführen, oder gemeinsam eine ExE ausführen. ExE steht dabei für die bekannten DNA-Digitationen, die man im laufenden Kampf ausführen kann und die in der Regel durch die Fusion der beiden Monster einen Vorteil verschaffen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sie zusammenpassen. Dieses neue Gameplay-Feature sorgt für eine weitere Komponente in den sonst schon sehr ansprechenden Kämpfen, die vor allem durch ihre Dynamik, ihr Tempo und ihre Strategie überzeugen können.
Wir als Tamer, oder im Spiel übersetzt als Zähmer bezeichnet, sind natürlich auch nicht ganz untätig. Neben dem Support im Kampf und der Pflege sammeln wir selbst auch Erfahrungspunkte. Nach einem Levelaufstieg können diese in neue Fertigkeiten umgesetzt werden, wie etwa besseren Erfolg durch Nahrung, ein zusätzlicher Attackenplatz oder ein höherer Punkteerhalt nach der Wiedergeburt. Dieses Element sorgt vielleicht nicht für die großen Unterschiede, bringt aber eine eigene, persönliche Note ins Geschehen.
„Digimon World: Next Order” orientiert sich stark am Titel von 2000 für die PlayStation 1. Man steuert die Digimon indirekt, sagt ihnen, was sie tun sollen und muss sich dabei stark um ihre Bedürfnisse kümmern. Das Spiel ist dabei sehr abwechslungsreich, bietet viele verschiedene Elemente und hat dabei eine gesunde Dynamik. Darüber hinaus bietet der Titel im Vergleich zur PS Vita-Version 30 zusätzliche Missionen, die das gesamte Spielerlebnis noch einmal erweitern. Die Story steht dabei nicht im Vordergrund, bietet aber genug Unterhaltung, um lange am Ball zu bleiben.
Die Weiten der Digiwelt, Ecken und Kanten, Probleme der Portierung
In “Digimon World: Next Order” gibt es viele verschiedene Umgebungen. Egal ob Feld, Vulkan oder Wüste, jede Umgebung bietet ihre eigenen Merkmale und ist dabei in sich geschlossen. Man bewegt sich im gesamten Spiel immer von einer Stage zur nächsten, Ladebildschirm inklusive. Diese unterbrechen den Spielfluss nicht besonders, eine echte Open World sieht aber doch anders aus. Hinzu kommen unsichtbare Wände, unüberwindbare Barrieren und so weiter. Hier wäre eine etwas andere Herangehensweise wünschenswerter gewesen.
Darüber hinaus merkt man dem Titel an, dass er einstmals für die kleinere PS Vita entwickelt wurde, denn den Levels fehlt es an wirklichen Details und Besonderheiten, die die Welt lebendiger und interessanter machen würden. So bekommt man das Gefühl, dass sie sehr kühl und kalt sind, als würde etwas fehlen. Hier hätte man den Titel doch ein wenig mehr überarbeiten sollen. Zwar versuchen kleine Effekte wie etwa Rauch das ganze etwas aufzupeppen, so ganz will das aber nicht gelingen. Schön sind aber die Digitationen und Angriffe in Szene gesetzt worden, die aus dem ganzen ein wenig herausstechen. Diese schaut man sich immer wieder gerne und auch mit einer gewissen Spannung an.
Positiv kommt auch der Soundtrack daher. Dieser ist in der Regel auf die aktuelle Situation angepasst, bleibt dabei aber dezent im Hintergrund und drängt sich nicht zu sehr auf. Stiltypisch gibt es auch keine deutsche Synchronisation, die wenigen Sprachabschnitte wurden in Englisch und Japanisch gesprochen, während alles mit einem akzeptablen deutschen Untertitel begleitet wird. Und von diesen Textpassagen gibt es einige. Diese lassen sich auch nicht überspringen und wirken gerade bei langen und überzogen emotionalen Gesprächen eher nervig als ansprechend, aber so ist dieser Spielstil nun einmal.
Insgesamt ergibt sich aus Sound, Grafik und Gameplay eine sehr positive Atmosphäre, in der man sich durchaus wohl fühlen und verlieren kann. Es ist problemlos möglich, viele Stunden in der Digiwelt zu verbringen, ohne sich auch nur ein einziges Mal zu langweilen. Es ist sehr abwechslungsreich, spannend und glänzt immer wieder durch neue Missionen und Elemente. Nur die kleinen Macken und die portierungsbedingten Abstriche hinterlassen einen leichten Beigeschmack.
Entwickler: B.B. Studios // Publisher: Bandai Namco // Release: erhältlich // Offizielle Homepage: www.bandainamcoent.de