TEST: RAGE 2 – Brachiale Action im Farbenrausch

By Patrick Held Add a Comment
11 Min Read

Mit dem ersten Teil von „RAGE“ zeigte das Team von id Software und Bethesda im Jahr 2011, wie unsere Welt aussehen würde, sollte ein riesiger Asteroid auf die Erde stürzen. Damals musste wir die sogenannten „Archen“ retten, unterirdische Hightech-Bunker, die die Welt wieder mit Leben und Pflanzen füllen sollten. Wie sich die Welt seither entwickelt hat, soll nun mit „RAGE 2“ erzählt werden. Und das auf ziemlich verrückte Weise.

Boom Baby …

Haben wir unsere Pflicht damals in der Rolle des US-Marine Nicholas Raine erfüllt, schlüpfen wir nun, laut Spiel 30 Jahre später, in die Haut von Walker, um die neu entstehende Welt, die nun nicht nur aus Wüste, sondern auch viel aus Dschungel und Moorlandschaften besteht, vor bösartigen Gefahren zu schützen, wie etwa wilden Banditen oder der mächtigen Obrigkeit, einer Art Diktaturherrschaft, angeführt von einer Art Cyborg-General namens Martin Cross, der Chaos verabscheut und daher für Zucht und Ordnung nach seinen Vorstellungen sorgen will. Daher greift dieser auch direkt zu Beginn die Heimat von Walker an, wahlweise außerdem männlich oder weiblich, und wir müssen so mit ansehen, wie neben fast der gesamten Bevölkerung auch unsere geliebte Tante Prowley, eine knallharte Soldatin, brutal hingerichtet wird. Kein Wunder also, dass wir sie nicht nur retten wollen, und dabei auch noch direkt der Obrigkeit das Handwerk legen.

Zum Glück gelangen wir schnell an einen sogenannten „Ranger-Anzug“, eine Art Rüstung, die uns zusätzlich mit besonderen Fähigkeiten austattet. Diese erhalten wir durch die bekannten Archen, in denen wir Nanotriten injiziert bekommen, kleine Sonden, die in unserem Blutkreislauf für Action sorgen. Und was für Action. So können wir etwa problemlos Doppelsprünge ausführen, schnell ausweichen oder uns im Fall der Fälle wiederbeleben. Insgesamt 11 Fähigkeiten stehen zur Verfügung, die sich darüber hinaus auch noch verbessern lassen, um die ultimative Kampfmaschine zu werden. Wem das nicht reicht, für den gibt es noch den „Overdrive-Modus“, der sich nach und nach durch Kills und den damit verbundenen Multiplikator schneller oder langsamer füllt. Lösen wir den Modus aus, bekommen unsere Waffen, von denen wir ebenfalls 11 Stück in den Archen finden und verbessern können, einen verbesserten Modus, in dem wir Feinde nicht nur töten, sondern nahezu pulverisieren. In Overdrive werden wir zu einem echten Monster, der Bildschirm verfärbt sich, als wären wir auf Speed, und regenerieren nebenher auch noch unsere eigene Lebensenergie. Diese Option kann hin und wieder den Unterschied zwischen Sieg oder Tod ausmachen.

Im Laufe unserer Reise erfahren wir außerdem relativ früh von einem Plan, den Tante Prowley schon vor einiger Zeit mit drei ihrer Kameraden ausgearbeitet hatte, um die Obrigkeit ein für alle Mal zu vernichten. Daher ist es nun an uns, diesen Plan in die Tat umzusetzen. Während wir also eine Mission nach der anderen ausführen, sowie zahlreiche Nebenquests in Angriff nehmen, wie etwa Straßensperren zu zerstören, Banditenlager auszuräuchern, oder gefallene Ranger zu bergen und noch vieles mehr, sammeln wir Erfahrungs- und Projektpunkte bei unseren Gehilfen. Diese können wir wiederum einsetzen, um verschiedene Perks und Vorteile freizuschalten, mit denen wir uns das Spiel und unsere Ausrüstung zu unserem Vorteil gestalten können. Auch unsere Waffen verfügen neben jeweils einem sekundären Modus auch über viele Möglichkeiten zur Verbesserung, wie etwa eine härtere Durchschlagskraft oder eine kürzere Nachladezeit.

Um schnell von A nach B zu kommen bietet sich uns ein beachtlicher Fuhrpark an, der einiges an Abwechslung zu bieten hat. Da gibt es direkt zu Beginn den Allrounder „Phoenix“, ein Auto mit vielen Verbesserungsmöglichkeiten und bis an die Zähne bewaffnet, zudem ausgestattet mit einer KI, die zwar nicht viele, dafür aber sehr witzige und lockere Sprüche auf der Platine hat. Dann gibt es noch Buggys, Motorräder, Baustellenfahrzeuge, einen Winz-Jet, sowie eine Art Panzer, genannt Xerxes III, der stark an den Tumbler aus der Dark Knight-Reihe erinnert und mit dem wir kurzen Prozess mit unseren Feinden machen. Leider fällt das Handling hier sehr unterschiedlich aus, so lässt sich der Phoenix etwa sehr gut steuern und hat ein gutes Tempo, während wir mit dem Xerxes kaum den meisten Feinden hinterher kommen. Dafür sind die Bikes nahezu unberechenbar und lassen sich kaum gezielt steuern. Hier wäre etwas mehr Feintuning schön gewesen.

Insgesamt bietet das Spiel in jeder Hinsicht unzählige Verbesserungsmöglichkeiten und Steigerungen, sowie verschiedene Modi und Anpassungen, um seinen ganz eigenen Spielstil zu verfolgen, dabei aber immer unter der Prämisse von viel Action und gewaltigen Szenen. Wir sind davon in der Regel aber nie überfordert sondern freuen uns, wenn wir die benötigten Materialien haben und uns hier und da das Leben leichter oder neue Pfade bezwingbar machen. Darüber hinaus können wir mit gesammelten Komponenten Objekte wie Granaten und Medikits zur Not selbst herstellen, sollte unser Vorrat einmal leer sein.

Insgesamt kommt es uns beim Spielen immer wieder so vor, als würden wir eine Art „Borderlands Lite“ geboten bekommen. Wir befinden uns in einer ähnlich dystopischen Welt wieder, müssen uns auch hier mit einer bösen, übermächtigen Organisation auseinandersetzen und bekommen es dabei mit einer Menge Action, Krawall und Boom zu tun. Auch in Sachen Gameplay lassen sich gewisse Parallelen ziehen, und trotzdem schafft es “RAGE 2”, hier und da eigene Akzente zu setzen und auf ganzer Linie zu überzeugen. Leider gibt es für uns leider zu wenig Abwechslung im Missionsdesign, denn egal welcher Tätigkeit wir nachgehen, diese fühlt sich bis auf wenige Ausnahmen immer gleich an. Hier wäre etwas mehr Variation sicherlich schön gewesen.  Leider kann auch die Story da nicht mehr viel reißen, denn diese rückt ziemlich in den Hintergrund und ist eher nur nettes Beiwerk, während wir uns durch die Missionen in der Open-World arbeiten. Auch im Gegner-Design gibt es wenig Unterschiede, diese gleichen sich alle doch sehr. Daran können auch die großen Goliats nichts ändern, eine Art übergroße Zombie-Soldaten mit transplantiertem Laser. Vielleicht lässt sich dies ja mit dem versprochenen Post-Launch-Content ändern, der nach und nach veröffentlicht werden soll. Bereits jetzt überzeugen uns aber die starken Waffen und die mächtigen Fertigkeiten, die sich nach und nach freischalten lassen, und mit denen man für viel Action und Spektakel sorgt. Uns bietet sich damit ein wirklich solider Action-Shooter, allerdings nicht mehr und nicht weniger. Und: der Titel verfügt über KEINEN Mehrspieler-Modus! Ein Feature, welches man hin und wieder doch ein wenig vermisst.

Rockig pinke Optik

In Sachen grafischer Darstellung kann sich „RAGE 2“, wie schon damals, durchaus sehen lassen. Wir bekommen zwar kein absolutes Spektakel geboten, aber dafür ein solides Erlebnis, das größtenteils ohne irgendwelche Bugs und Fehler auskommt. Zudem gibt es keine einzige Ladezeit in der gesamten Open-World, ganz egal, wo wir uns her bewegen oder welchen Dungeon wir betreten. Das fühlt sich wirklich gut an und vermittelt ein tolles Gefühl der Open-World. Leider ist diese relativ klein, gerade, wenn wir uns im Mini-Hubschrauber „Ikarus“ bewegen, mit dem wir in kürzester Zeit von einem zum anderen Ende der Map reisen. Je nachdem welche Route wir wählen kommt es zudem dazu, dass wir entweder aus einem großen Canyon oder einer nicht programmierten Fläche über den Bergen zurückgesetzt werden, weshalb man unfreiwillig den ein oder anderen Umweg in Kauf nehmen muss.

Was die Abwechslung im Leveldesign angeht gibt es ein paar wenige Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen, die entweder einer Wüste, einem Moor oder einem Dschungel nachempfunden sind. Die Landschaften machen dabei einen schönen Eindruck und vermitteln gut, wie sich die Vegetation entsprechend ausgebreitet hat. Genau so ansprechend sind die chaotischen Baditenposten oder die ausgeprägten Städte, wobei man sich in diesen häufig verlaufen kann, da hier doch alles ein wenig gleich aussieht. Ein paar Wegweiser hier und da wären vielleicht ganz nett gewesen.

Wer auf derbe Gags und abgedrehte Action steht, der wird sich in der Atmosphäre von „RAGE 2“ sichtlich wohl fühlen. Auch hier lässt sich eine gewisse Nähe an Borderlands nicht leugnen, was aber auch gar kein Problem ist. Leider sind die Zwischensequenzen meistens nicht wirklich ansprechend und sehr platt, und auch Gespräche mit Einwohnern der Städte könnten etwas ansprechender designt worden sein. Hier wäre deutlich mehr Platz nach oben gewesen. Außerdem erweckt das Spiel sehr schnell den Einfluss, dass es ein wenig an wirklichem Umfang mangelt. Die Nebenmissionen sind an sich je nach Talent schnell abgearbeitet, und auch die Story gibt wenig her, wodurch dann leider auch ein wenig der Wiederspielwert verloren geht.

Alles in allem ist die Atmosphäre von „RAGE 2“ durchaus ansprechend. Wir bekommen einen actiongeladenen, witzigen Titel geboten, der genau weiß, wo seine Stärken liegen, und auf diese auch in gewisser Weise den Fokus legen. So etwa auf den guten Sound und die ansprechende Synchronisation, wodurch die nicht sonderlich tiefgründigen Gespräche auch nicht viel intelligenter werden. Auch das Leveldesign ist ansprechend, leider fehlt es hier an einer gewissen Größe der Open-World. Hier wäre etwas mehr Umfang viel schöner und auch notwendig gewesen. Vielleicht werden ja neue Gebiete mit den geplanten DLC’s nachgereicht. Nichtsdestotrotz macht auch die Atmosphäre, die Grafik und der Sound viel Freude, hat aber sichtlich noch Luft nach oben.

TEST: RAGE 2 – Brachiale Action im Farbenrausch
“RAGE 2 ist definitiv ein Titel mit (leider) viel verschwendetem Potential. Ja, wir bekommen ein gutes Gameplay geboten, welches sich schnell beherrschen lässt, in dem wir tolle Fähigkeiten und Waffen geboten bekommen und damit ein wahres Spektakel an Schüssen und Explosionen abfeuern können. Dafür muss man jedoch Abstriche in Sachen Handling der Fahrzeuge in Kauf nehmen und leider auch mit wenig Abwechslung im Missionsdesign leben müssen. Gleiches Bild bietet sich im Gegner-Design und der Größe der Open-World, wo viel Potential liegen gelassen wurde. Dafür punktet der Titel wieder, wenn es um die grafische Leistung geht, bei der wir etwa von nervigen Ladezeiten dauerhaft verschont bleiben, einem tollen Handling der Balance zwischen Witz und Ernst und der Auswahl an Waffen und Modifikationen. Ja, es gibt viele Parallelen zu Borderlands, allerdings reizt dieser alle Aspekte viel weiter aus. Daher ist RAGE 2 ein solider Titel, eine Art „Borderlands lite“, das aber seinen eigenen Charm besitzt, auch wenn man viel Potential einfach liegen lässt.”
7.5
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