Mit „The Surge“ wagt sich Deck13, nach ihrem Action-RPG „Lords of the Fallen“, erneut an das Souls-like Genre heran, diesmal allerdings mit einem dystopischen SciFi-Setting, das eine düstere Version der Zukunft malt – eine Zeit, in der die Menschheit einen weiteren Höhepunkt ihrer Dekadenz erreicht hat. Ob das Spiel zum Alteisen gehört oder im derzeit hart umkämpften Genre ein echter Geheimtipp ist, erfahrt ihr in unserem Test.
Neuer Job, neues Leben, neue Probleme
Wenn man die Chance bekommt für CREO zu arbeiten, eine Firma die sich dem Ziel verschrieben hat, die Welt wieder lebenswerter zu machen, lässt man sich nicht zweimal bitten, besonders dann nicht, wenn man wie Warren, unserem Protagonisten, im Rollstuhl sitzt und durch die CREO Exo-Skelette wieder laufen kann. Schon am ersten Tag stellt sich jedoch heraus, dass hier einiges im Argen liegt, denn bei der Operation, bei der die Exo-Skelett-Verankerungspunkte in Warrens Knochen gebohrt werden sollen, meldet das voll automatisierte Operationsprogramm “Patient betäubt” und bohrt pflichtbewusst drauf los, jedoch ohne die vorher versprochene Betäubung. Warren, der bei der Operation verständlicherweise das Bewusstsein verliert, erwacht daraufhin abrupt auf einem Schrottplatz und muss mit Entsetzen feststellen, das eine Drohne versucht alle metallischen Komponenten seines “neuen” Ich´s zu verwerten, auch wenn das bedeutet das sämtliche Gliedmaßen abgetrennt werden müssen. An diesem Punkt beginnt für Warren ein Kampf ums Überleben. Augenscheinlich haben alle Arbeiter den Verstand verloren und sind zu hirnlosen Tötungsmaschinen verkommen, die nun ihre industriellen Werkzeuge dazu nutzen, sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen. Roboter laufen Amok und greifen alles an, was einen Puls hat, während geistig noch recht klare Personen langsam aber sicher ihre Identität verlieren und das Sicherheitspersonal krampfhaft versucht die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen.
Kopf ab, arm dran
„The Surge“ bietet einige interessante Gameplay-Elemente, die man so noch nicht in anderen Spielen gesehen hat. Neues Gear erhält man so z.B. nur, wenn man seinen Gegnern Gliedmaßen abtrennt, garantiert ist dies jedoch auch nicht, da man dem entsprechenden Körperteil zuvor Schaden zufügen muss. Ist der Gegner schwach genug, das Körperteil beschädigt und genug Exo-Rig-Energie vorhanden, flüchtige Energie, die durch Kämpfe gewonnen wird, erscheint ein Tastenprompt, der durch das Halten der Taste gefüllt werden muss. Wurden alle Vorgaben korrekt erfüllt, wechselt das Spiel zu einer vorgefertigten, flinken, mitunter sehr brutalen Animation, in der das entsprechende Körperteil abgetrennt wird. Ist der Abtrennversuch erfolgreich, erhält man hierfür eine Blaupause, mit der man das Ausrüstungsstück an einem Automaten, in OPS, The Surges Bonefire, nachbauen und verbessern kann.
Besiegt man in „The Surge“ seine Gegner, bekommt man dafür Schrott, das Äquivalent zu den Seelen in „Dark Souls“. Als besonderen Twist bietet „The Surge“ aber auch einen Multiplikator-Bonus auf erfolgreiche Finishing-Moves. Für den Spieler bedeutet dies, das mit jedem erfolgreichen Finishing-Kill der Schrott Multiplikator steigt – eine riskante und verlockende Mechanik, die oft zum eigenen Tod führt, weil man sich dazu entscheidet, den Schrott Multiplikator in die Höhe zu treiben, gleichzeitig aber die Lebensenergie zu sehr vernachlässigt. Gesammelter Schrott wird wie üblich beim Tod verloren und kann dann wieder eingesammelt werden. Zu beachten ist jedoch ein Zeitlimit, an dessen Ende der Schrott einfach verschwindet. Um dem Timer etwas entgegenzuwirken, bekommt man für jeden besiegten Gegner auf diesem Weg wieder 20 Sekunden gutgeschrieben.
Aufgelevelt wird unterdessen an der OPS, eine Art Sicherheits- und Wartungsraum für Rigs. In der OPS lässt sich das Kern-Level eures EXO-Rig verbessern, was wiederum das Energiepensum des Kerns in die Höhe schraubt und das Ausrüsten von besseren Teilen und Implantaten erlaubt. Ausrüstungsgegenstände verbrauchen unterdessen alle unterschiedliche Mengen an Kernenergie, was auch für Implantate gilt. Interessant ist, dass ihr in „The Surge“ durch das Aufleveln des Kerns nicht direkt eure Figur verbessert, sondern ihr nur mehr Energie für euren Kern erhaltet. Wollt ihr eure Statuswerte verbessern, müsst ihr unterdessen auf Implantate zurückgreifen, die euch z.B. Buffs nutzen lassen oder eure Lebensenergie in die Höhe schrauben. Basierend auf der Seltenheit des Implantats skaliert selbiges z.B. mit eurem Kern-Level und gewährt euch so mehr Lebenskraft – selbstverständlich gilt dies auch für Ausdauer und Energie. Welche Implantate ihr nutzt, bleibt euch das ganze Spiel über freigestellt. Wer ohne Lebenskraft auskommt, kann so z.B. nur auf Ausdauer setzen und pausenlos angreifen oder nur auf Buffs und Fertigkeiten bauen und dafür z.B. automatisch etwas Lebenskraft bei einem erfolgreichen Finisher zurückbekommen. Durch dieses System ist es praktisch unmöglich sich zu verskillen. Sollte sich ein Kampf also zu schwer herausstellen, kann man sein Set-up bequem innerhalb von drei Minuten ändern und sich der Herausforderung erneut stellen.
Das Level-Design von „The Surge“ ist bei Weitem nicht so ausschweifend wie das eines „Dark Souls“ und nur Semi-Open-World konzipiert. Jede Region ist nur mit einem OPS ausgestattet, in dem man rasten kann, dafür finden sich zahlreiche Abkürzungen, die den Spieler auf schnellem Weg zurückbringen. Oft finden sich sogar schon in den ersten Metern des Levels Abkürzungen, die man oftmals übersieht oder die noch ohne Strom sind. Regionen werden unterdessen mit Hilfe eines Zuges gewechselt, wohingegen auf Schnellreisen verzichtet wird. Wer also zurück in ein bestimmtes Gebiet möchte, muss sich wohl oder übel durch die alten Gebiete kämpfen.
Einige unschöne Gameplay-Elemente bietet „The Surge“ jedoch auch, allem voran bei den Finishing-Moves, bei denen man schon im Voraus sagen kann, dass man gleich das Zeitliche segnet. Ab und zu findet man sich in einer Situation wieder, in der man einen Finisher anbringt und in der Ferne schon einen Gegner ausmacht, der gerade zu einer starken Attacke ansetzt. Trifft euch dieser während der Animation, werdet ihr dank Videospiellogik geschützt und verliert keine Lebensenergie. Besteht die Attacke allerdings aus mehreren einzelnen Angriffen oder trifft euch direkt am Ende der Animation, bedeutet dies oft das Aus für euch. Hier wäre seitens Deck13 definitiv Nachholbedarf.
Grafisch gut, viele Optionen, super PRO Support
„The Surge“ läuft auf derselben Engine wie einst „Lords of the Fallen“, bietet aber eine sehr viel bessere Performance, ohne dabei grafisch Abstriche zu machen. Wer das Spiel auf einer PlaySation 4 Pro startet, wird mit zwei Grafik-Optionen belohnt. Zur Auswahl stehen eine UHD-Option, die das Spiel mit ca. 1800p darstellt und bei soliden 30 FPS laufen lässt. Grafisch ist dieser Modus deutlich schärfer und detaillierter als der Performance-Modus, der das Spiel bei 1080p darstellt, dafür aber 60 FPS liefert, die zu keiner Zeit auch nur ansatzweise zu dropen zu scheinen. Wer „The Surge“ auf der Standard PS4 spielt, kommt noch immer in den Genuss einer 1080p-Auflösung, muss sich aber mit nur 30 FPS zufriedengeben. Wenn es um Optionen geht lässt sich „The Surge“ ebenfalls nicht lumpen. Im Menü finden sich viele Möglichkeiten grafische Effekte nach belieben einzustellen und zu deaktivieren, was auch nicht immer selbstverständlich ist.
Deutsch kann sich richtig hören lassen
„The Surge“ bietet neben dem gelungenen Gameplay und den überlegt gewählten grafischen Optionen auch eine gute Vertonung. Ton kommt wahlweise in in Englisch oder Deutsch daher und ist, dank seinem deutschen Ursprung, auch äußerst hörenswert. Man merkt dem Spiel an, dass man sich insbesondere als deutscher Entwickler hier keine Blöße geben wollte. Soundeffekte, wie das Aufeinandertreffen von Metall, haben zudem einen satten Klang und die Finishing-Moves hören sich saftig an. Etwas besser könnten hingegen die Treffer-Effekte sein, wenn man z.B. nur Fleisch trifft, da es hier im direkten Vergleich etwas an Feedback fehlt.