Leben die Menschen eines Tages gemeinsam mit Androiden zusammen? Wenn ja, ist es möglich hier eine perfekte Symbiose zu erschaffen oder birgt dies ein gefährliches Konfliktpotential zwischen Mensch und Maschine? Dieser Frage geht Quantic Dream in wenigen Wochen in “Detroit: Become Human” nach, das der Entwickler kürzlich auf einem Preview Event in Berlin ausführlich vorgestellt hat.
Neben umfassenden Eindrücken, die wir selbst aus dem Spiel sammeln konnten, stand hier auch Quantic Dream COO, Guillaume de Fondaumière, zur Seite, um die wichtigsten Fragen über das Spiel zu klären. Außerdem gab es eine spannende Podiumsdiskussion zum Thema künstliche Intelligenz, in der man der Frage nachging, inwieweit man der Idee aus dem Spiel noch entfernt ist oder welche Risiken hinter dieser Entwicklung stecken.
Schon auf der gamescom im vergangenen Jahr hatten wir die Gelegenheit, ein erste Szene mit dem Protagonisten Connor zu spielen, die diesmal um weitere Eindrücke mit Kara und Markus, beides ebenfalls Androiden aus dem Spiel, ergänzt wurden. Während der Gesamteindruck nach wie vor sehr positiv ist, wurde diesmal umso mehr deutlich, worin sich die Quantic Dream Spiele von allen anderen unterscheiden.
Androiden – Freund oder Feind?
Die ersten Szene, die wir gespielt haben, ist bereits aus dem PGW Trailer bekannt und zeigt Kara, die als Hausmädchen-Androide in einer Familie lebt, bestehend aus einem drogensüchtigen Vater und einem kleinen Mädchen, das in ihrem Umfeld zunehmend verängstigt ist. In einem Gewaltexzess hat der Vater den Androiden zuvor zerstört, sodass bei der Reparatur sämtlich angeeignetes Wissen zurückgesetzt wurde. Somit hat auch das Mädchen zunächst kein Vertrauen mehr in den Androiden und nähert sich diesem nur zögerlich.
Kara bekommt hier die Anweisung den Haushalt in Schwung zu bringen, wobei dies schon einen wichtigen Teil für den späteren Verlauf darstellt. Durch das herumwühlen und stöbern in Schubladen usw. werden mögliche Optionen offengelegt, die man später womöglich noch brauchen wird. Dazu gehört auch eine zunächst verschlossene Schatulle, in der Zeichnungen von dem Mädchen über frühere Vorfälle zu finden sind. So erfährt Kara hier, dass es der Vater war, der sie beschädigt hat und zu äußerst aggressivem Verhalten neigt. Aber auch Dinge, wie ein Fenster zum Lüften öffnen, spielen unter Umständen noch eine wichtige Rolle.
Ähnlich wie in “Heavy Rain” wechseln auch in “Detroit: Become Human” die Szenen recht schlagartig, sodass es umgehend mit Markus weiterging, ein Support-Androide, der sich um einen wohlhabenden Künstler kümmert, der an den Rollstuhl gefesselt ist. Während Markus sich ebenfalls um alltägliche Dinge, wie Pakete abholen, Frühstück machen und so kümmert, ist auch dieser dabei ständigen Anfeindungen von Menschen und Gruppierungen ausgesetzt, die Androiden aus verschiedensten Gründen ablehnen – sei es der Jobverlust, der durch eine Maschine ersetzt wurde, oder die Beziehung zwischen Vater und Sohn, die durch den Androiden gestört wird.
Die dritte Szene schwenkte zu Connor über, der für das Detroit Police Department arbeitet und bei Ermittlungen hilft. Hier kamen ebenfalls starke Erinnerungen an “Heavy Rain” auf, in dem man Tatorte untersucht, Hinweise ausfindig macht und mithilfe der künstlichen Intelligenz versucht den Vorfall zu rekonstruieren. In dieser Szene wurden wir zu einem recht heruntergekommenen Haus gerufen, in dem eine übel zugerichtete Leiche liegt. Schnell stellt sich heraus, dass sich Täter und Opfer sehr nahe standen, sodass der Verdacht umgehend auf den hauseigenen Androiden fällt. Doch wieso hat er seinen Besitzer getötet und wo ist der Androide jetzt?
In diesem Punkt überschneidet sich das Spielprinzip aller Charaktere und Szenen, in denen es meist darum geht, soviel Wissen wie möglich durch das Erkunden der Umgebung zu sammeln. So findet Connor nicht nur heraus, dass es ein Androide gewesen sein muss, sondern auch wo er sich gerade aufhält. In der Szene mit Kara kommt es im späteren Verlauf zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter, wobei hier die geöffneten Fenster entscheidend sein können, die einen möglichen Fluchtweg darstellen und all solche Dinge. Es liegt also an euch, wie und mit welchem Ausgang ihr eine Szene beendet, basierend auf dem zuvor gesammelten Wissen.
Laut Quantic Dreams Guillaume de Fondaumière wisse man selbst nicht genau, wie viele Enden “Detroit: Become Human” wirklich haben wird, da es diesmal derart viele Verzweigungen und Entscheidungen im Laufe der Story gibt, dass man das ganze Spiel nicht mit einmal erfassen kann. Anders als in ähnlichen Entscheidungs-Spielen lassen sich wichtige Schlüsselmomente aber wohl auch revidieren, womit man den möglichen Tod der Charaktere abwenden kann. Unklar ist, ob es dieses Feature auch in die finale Version schafft, um der Story damit nicht ihrer Spannung zu berauben.
Bei Quantic Dream sei jedenfalls schon wahnsinnig gespannt darauf, wie sich die Spieler nachher entscheiden werden. Für das Studio ist es das bislang größte Projekt, das man jemals entwickelt hat, mit einer geschätzten Spielzeit von 25 bis 30 Stunden, abhängig davon, welche Entscheidungen der Spieler trifft.
Aufwendiges Motion Capturing
Quantic Dream steht jeher für unglaublich realistische Abbildungen der Charaktere, die nach vielen Jahren der Weiterentwicklung im Bereich Motion Capturing inzwischen ein beängstigendes Level erreicht haben. Selbst die Darsteller hinter den Charakteren zeigten sich immer beeindruckter davon, wie nahe ihre Nachbildung der Realität entspricht. Hierfür wurde allerdings auch ein ziemlicher Aufwand betrieben – über 300 Akteure standen für “Detroit: Become Human” vor der Kamera, die Arbeiten dauerten über ein Jahr lang an und in dieser Zeit wurden über 37.000 verschiedene Animationen aufgezeichnet und umgesetzt. Das spiegelt sich auch wunderbar im Spiel wieder und man darf sich auf die bisher perfekteste Umsetzung von Quantic Dream in dieser Hinsicht freuen.
Wie schon zur gamescom präsentiert sich “Detroit: Become Human” als hochmoderner, technologisch und glatt geschliffener Schauplatz, der dennoch viele Facetten bietet und sich durch viele Gesellschaftsschichten zieht. Von der modernen Innenstadt, über teure City Villen und einem heruntergekommen Arbeiterviertel ist alles dabei. Wie von Quantic Dream gewohnt wurde dabei alles sehr greifbar und authentisch gestaltet, womit hier eine ernstzunehmende Glaubhaftigkeit entsteht. Wie es so schön heißt, könnte das Ganze auch gerade irgendwo in der Nachbarschaft sein. In diesem Punkt braucht man sich also keine Sorgen machen, dass man irgendwie enttäuscht werden könnte.
Etwas anders sieht es vom spielerischen Aspekt gesehen aus, gerade wenn man erst einen Titel wie “Far Cry 5” mit seinen ganzen Freiheiten intensiv genossen hat. Da merkt man doch schon sehr, worin sich die Quantic Dream Spiele unterscheiden. Die gezeigte Preview-Version bestand meist nur aus hin und her laufen und dem typischen Eingaben-Layout aus “Beyond: Two Souls” oder “Heavy Rain”, um mit Objekten zu interagieren. Selbst schnelleres Rennen oder nur aus reiner Neugier den aktuellen Spielbereich verlassen zu wollen war nicht möglich, während sich eigene Bewegungen dazu noch recht steif anfühlen. Quantic Dream klammert sich mit seinem dritten Titel dieser Art noch immer zu sehr an das, was der Game Director will und nicht was der Spieler vielleicht möchte. Das mag zwar der Story zugute kommen, der man damit umso gespannter folgen kann, wer die Quantic Dream Spiele aus diesem Grund aber bisher abgelehnt hat, wird wohl auch in “Detroit: Become Human” nicht sehr viel mehr bekommen. Dass es auch etwas actionreicher zugehen kann, zeigte aber die damalige gamescom Preview, sodass man hier einfach das finale Spiel abwarten muss.
Der moralische Aspekt
“Detroit: Become Human” soll allerdings nicht nur eine Story erzählen, die zwar wie gewohnt den Schwerpunkt bildet, man möchte auch viele moralische Aspekte aufgreifen, ohne dem Spieler jedoch die Antwort auf die potenziell aufkommenden Fragen während des Spielens vorzugeben.
de Fondaumière beschrieb es so, dass man lediglich nur die Anfangsfrage stellt, die sich der Spieler am Ende selbst nach seinem Gefühl beantworten soll. Man möchte dazu anregen zu hinterfragen: was bedeutet es ein Mensch zu sein, was macht genau das aus und wo überschreitet man die Grenze zum menschlich sein, wenn man einmal die Sicht eines Androiden berücksichtigt? Auch die Unterscheidung zwischen einem männlichen und weiblichen Androiden wird dabei eine Rolle spielen, ebenso welche Vor- und Nachteile sich durch eine künstliche Intelligenz generell ergeben.
Dies allerdings nicht immer nur aus Sicht des Menschen, sondern auch der Androiden, wie man mehrfach feststellen wird. So wird einem nicht nur einmal auffallen, dass die Androiden im Spiel an einem bestimmten Punkt fast stehen bleiben, fast so, als ob sie gerade in sich gehen würden und beginnen nachzudenken, um zum Beispiel ihre Stellung in der Gesellschaft zu hinterfragen – der Punkt, an dem eine Maschine die Grenze zum selbständigen Denken überschreitet, eigene Handlungen vollzieht und Konsequenzen daraus schlussfolgert.
Experten vor Ort, darunter Andreas Brandhorst, ein bekannter Autor mit Fokus auf künstliche Intelligenz und Zukunftsvisionen, sowie Fabian Westerheide, Digitalunternehmer, Investor und Redner, der sich auf den Bereich der Robotik und künstliche Intelligenz spezialisiert hat, hatten dazu ein mögliches Szenario skizziert, das dem in “Detroit: Become Human” überraschend nahe kommt, auch wenn die Thematik an sich sehr viel komplexer ist. Selbst der Zeitrahmen von 20 Jahren ab heute sei bei der heutigen Entwicklungsgeschwindigkeit gar nicht so abwegig und man wird dann vermutlich überall auf künstliche Intelligenzen treffen – im Transportwesen, beim Militär usw. Gefährlich wird es ihrer Meinung allerdings erst dann, wenn KIs selbständig anfangen zu lernen und den Menschen in allem überlegen sein werden. Dann ist Konfliktpotenzial automatisch vorprogrammiert, der sich durch alle Ebenen ziehen wird – wo Androiden nicht mehr nur dazu da sind, um uns das Leben angenehmer zu machen, sondern essentielle Dinge wie Jobs usw. streitig machen werden.
„Quantic Dream verspricht einmal mehr einen Blockbuster ganz im Stil ihrer DNA, die mit der Thematik Androiden und Menschen erneut eine wahnsinnig spannende Story kreiert haben und genauso spannend auch erzählen. Abgesehen von der beeindruckenden Technik und dem ganzen Aufwand, dem man hinter dem Spiel betreibt, scheint Detroit: Become Human der nächste Blockbuster nach God of War auf der PS4 zu werden, sollte das finale Spiel das halten, was die aktuellen Eindrücke versprechen.“
Einschätzung: Sehr gut!
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