TEST: Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin Remastered

By Toni Add a Comment
8 Min Read

Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin hat 2011 (hierzulande erst 2013) die Herzen vieler PlayStation 3-Spieler verzaubert. Jetzt, eine Konsolengeneration später, kehrt das japanische Rollenspiel mit einem verdienten Remaster zurück. Wie gut Ni no Kuni gealtert ist und ob sich das Spiel auch heute noch lohnt, erfahrt ihr in unserem Test.

Tragik und Magie

Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin Remastered erzählt die Geschichte des Jungen Oliver. Der erleidet schon zu Beginn des Spiels einen tragischen Verlust, auf den wir an dieser Stelle aus Spoilergründen nicht weiter eingehen möchten. In seinem Kummer erweckt Oliver unbeabsichtigt eine Puppe zum Leben, die er Jahre zuvor als Geschenk von seiner Mutter erhalten hat. Die vermeintliche Puppe ist, wie sich herausstellt, das Feen-Wesen Mr. Drippy. Dieser erklärt, von dem finsteren Zauberer Shadar in eine Stoffpuppe verwandelt und nun dank Oliver endlich von dem Fluch befreit worden zu sein. Kurzerhand nimmt Mr. Drippy den kleinen Oliver mit in seine magische Parallelwelt, um dort Abenteuer zu erleben und gemeinsam Shadar zu bezwingen.

Im Grunde erzählt Ni no Kuni also eine archetypische Märchengeschichte. Die ist nicht besonders komplex, auch nicht unbedingt originell, dafür aber überaus charmant und wirklich liebevoll erzählt. Das dürfte auch kaum überraschen, wenn man bedenkt, wer an diesem Spiel mitgewirkt hat: Ni no Kuni ist nämlich aus einer Kooperation von Level-5 und Studio Ghibli entstanden – dem wohl einflussreichsten Animationsfilmstudio aus Japan, das Klassiker wie Prinzessin Mononoke, Mein Nachbar Totoro oder Chihiros Reise ins Zauberland hervorgebracht hat. Diese Wurzeln sind Ni no Kuni anzumerken. Charaktere, Spielwelt und Dialoge sind mit den Ghibli-Filmen nämlich qualitativ auf einer Wellenlänge.

Malerische Optik und Soundtrack mit Bombast

Visuell hat die ursprüngliche PlayStation 3-Version von Ni no Kuni die Messlatte in Sachen Cel-Shading-Grafik schon verdammt hoch gelegt. Dadurch, dass Künstler von Studio Ghibli am Design mitgewirkt haben, war das Rollenspiel bereits vor 8 Jahren sehr nah an der Ghibli-typischen Anime-Optik. Das Remaster holt auf der PlayStation 4 und insbesondere auf der PlayStation 4 Pro das Maximum aus dem Spiel heraus. Und so viel sei gesagt: Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin Remastered sieht unfassbar gut aus. Die Texturen sind knackscharf und die Umgebungen sehr detailliert. Das kommt vor allem auf der PlayStation 4 Pro so richtig zur Geltung. Spieler können nämlich auswählen, ob sie das Remaster in nativen 4K mit 30 FPS spielen wollen, oder alternativ in 1440P, dafür aber mit einer Bildrate von 60 FPS. Ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, kann man sagen, dass Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königen Remastered in nativen 4K sogar besser aussieht als der Nachfolger Ni no Kuni 2: Schicksal eines Königreichs aus dem letzten Jahr. Dabei haben die Entwickler das Rohmaterial nicht überarbeitet oder die Charaktermodelle und Texturen ausgetauscht, sondern lediglich die Auflösung erhöht. Mehr als das war bei einer derart hübschen Vorlage aber auch nicht nötig. Auch heute noch ist Ni no Kuni ein malerisches Kunstwerk.

Hinzu kommt ein sehr gelungener orchestraler Soundtrack, der die Geschichte wunderbar untermalt. Der Moment, wenn man zum ersten mal auf dem Rücken eines Drachen in die Luft steigt und das ikonische Maintheme einsetzt, ist einfach atemberaubend. Und auch die Synchronisation ist sehr gelungen. Zwar ist nur ein Teil der vielen Dialoge vertont, dafür aber mit talentierten Sprechern – sowohl in der japanischen als auch in der englischen Version. Wir können euch vor allem die englische Tonspur ans Herz legen. Dort spricht Mr. Drippy nämlich mit einem südwalisischen Swansea-Akzent, durch den der Charakter einiges an Charme und Humor dazugewinnt.

Zaubern, Grinden, Monster fangen

In Sachen Gameplay haben die Entwickler von Level-5 im Rahmen des Remasters keine Veränderungen vorgenommen. Ni no Kuni ist ein semi-klassisches Rollenspiel, das sich unter anderem bei Pokémon bedient. Im Verlauf des Abenteuers bekämpfen wir zahlreiche Monster, die wir auch zähmen können. Dadurch werden sie zu unseren „familiars“ (auf deutsch: „Vertraute“) und schließen sich unserem Kampf gegen das Böse an. Ab einem gewissen Level können sie dann eine Metamorphose durchführen, also die nächste Entwicklungsstufe erreichen. Im Verlauf der Geschichte bekommen wir neben Mr. Drippy noch zwei menschliche Begleiter, die uns im Kampf unterstützen und uns bis zum Ende des Abenteuers zur Seite stehen.

Das Kampfsystem ist übrigens bis heute der größte Schwachpunkt von Ni no Kuni. Und es ist gar nicht so einfach zu beschreiben, weil es zur Hälfte in Echtzeit abläuft und zur Hälfte rundenbasiert ist. Das Ganze funktioniert so: Wir übernehmen die Kontrolle eines Charakters und können diesen frei bewegen. Aktionen, wie zum Beispiel Nahkampfattacken, wählen wir per Menü aus. Diese laufen dann automatisch ab. Wir können die Angriffssequenz zwar nicht selbst steuern, sie dafür aber unterbrechen, um eine andere Aktion auszuführen. Das ist zum Beispiel dann hilfreich, wenn der Gegner zu einer mächtigen Attacke ansetzt und wir diese blocken wollen. Dazu müssen wir wieder ins Menü, um den entsprechenden Befehl auszuwählen. So richtig smooth spielt sich das nicht, aber die Kämpfe bekommen dadurch etwas Retro-Flair.

Die Gegner sollte man trotz ihres knuddeligen Designs übrigens nicht unterschätzen. Der Schwierigkeitsgrad ist (auf normaler Stufe) nämlich vergleichsweise hoch. Immer mal wieder erreichen wir Punkte im Spiel, an denen wir uns dazu gezwungen fühlen, zu grinden, um den Levelvorsprung bestimmter Bossgegner einzuholen. Wer darauf keine Lust hat, sollte in Erwägung ziehen, im Einstellungsmenü auf den leichten Schwierigkeitsgrad zu wechseln. Die Kämpfe sind dann immer noch herausfordernd, sollten aber auch ohne zeitintensives Grinding zu schaffen sein.

Abenteurer und gebrochene Herzen

Kämpfen ist natürlich nicht alles. Tatsächlich gibt es in Ni no Kuni eine ganze Menge zu tun. In den Städten, die wir bereisen, begegnen wir Menschen (und anderen Lebewesen), die unsere Hilfe benötigen. Erledigen wir Quests für sie, bekommen wir Stempelkarten, die wir gegen Belohnungen eintauschen können. Einige hat es aber besonders hart getroffen: Sie wurden von Shadar verzaubert und leiden an einem „gebrochenen Herzen“. Das bedeutet, sie haben einen Teil ihrer Menschlichkeit verloren, was sich darin äußert, dass sie sich antriebslos, mutlos, aggressiv oder emotional leer fühlen. Mithilfe eines Zaubers können wir diese Menschen wieder zurück ins Leben holen. Dafür müssen wir aber zunächst Personen finden, die besonders viel Charakterstärke besitzen und uns einen Teil ihres Herzens abgeben. Außerdem gibt es hier und da leichte Rätsel. Die sind nicht komplex oder anspruchsvoll, aber ganz nett mit dem Gameplay verwoben. Während wir auf der Reise die umfangreiche Weltkarte erkunden, gibt es nebenher Vieles zu entdecken. Das Ende der Geschichte bekommen wir erst nach circa 50 Stunden zu sehen. Die vergehen dafür aber wie im Flug und werden mit einem grandiosen Finale abgerundet.

TEST: Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin Remastered
Ni no Kuni zu remastern, dürfte eigentlich ein ziemlicher No-Brainer gewesen sein. Das Original ist nämlich auch heute noch so fantastisch, dass es keine großen Veränderungen braucht. Auch wenn das inkonsequente Kampfsystem nach heutigen Gesichtspunkten ein wenig altbacken wirkt. Durch die verbesserte Auflösung steckt Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin Remastered visuell aber sogar moderne Genrevertreter wie Dragon Quest 11 locker in die Tasche. Wer ein Herz für JRPGs und Ghibli-Filme hat, sollte sich diese Perle auf keinen Fall entgehen lassen.
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