TEST: After Us – Ein würdiger Nachfolger von Journey?

After Us erzählt eine Story von der Zerstörung der Erde. Wir haben den Weltuntergang vorab erlebt!

By Mark Tomson Add a Comment
7 Min Read

Fans von Journey und Flower bekommen nach Jahren wieder Nachschub. Der neue Titel After Us von Piccolo Studio und Private Division verbindet das Beste aus beiden Spielen und regt dabei zum Nachdenken bei einem wichtigen Thema an. Wir haben After Us vorab getestet und verraten euch, ob sich der Ausflug in die Zeit nach der Menschheit lohnt.

After Us beschreibt ein Szenario, auf das die Erde und die Menschheit derzeit unweigerlich zusteuert – ihr Ende. Umweltkatastrophen, die zunehmende Industrialisierung, das Aussterben von Arten, all das beschleunigt diesen Prozess von Jahr zu Jahr. Damit hat Piccolo ein brandaktuelles Thema aufgegriffen, zeigt aber auch auf, wie sich dieser Prozess vielleicht nicht ganz stoppen, zumindest aber verlangsamen lässt.

Die Seelen Tiere der Erde
Die letzten Seelen der Erde

Eine Welt nach den Menschen

In After Us ist der Punkt einer sterbenden Erde schon erreicht und bedeutende Tierarten, die zum wesentlichen Erhalt dieser beitragen, sind nur noch Erinnerungen. Als Spieler erwacht man in Form einer leuchtenden Gestalt namens Gaia auf, die sinngemäß für das Leben auf der Erde steht. Diese bekommt den Auftrag, die Gefäße (Körper verstorbener Tiere) der letzten Arten ausfindig zu machen und deren Seelen zurück zum Baum des Lebens, hier Arche genannt, zu bringen, mit dem Ziel, das Leben auf der Erde neu zu entfachen.

Die Reise von Gaja beginnt in einer Ödnis, in der man die grundlegenden Gameplay-Mechaniken kennenlernt. Schon hier wird klar, dass man sich stark an dem Indie-Hit Journey orientiert. Denn Gaja schwebt geradezu mit einer Leichtigkeit über den Boden, die kaum Grenzen zu haben scheint. Das beweist sich mit jedem Hindernis aufs Neue, denn immer wenn etwas unüberwindbar erscheint, werden neue Gameplay-Elemente eingeführt, ohne dass man diese erst erlernen muss. Man bekommt es quasi in die Wiege gelegt – vom Doppelsprung, über den Wall Run, bis hin zu Kämpfen – ja, auch das ist in After Us möglich und manchmal sogar notwendig.

Ein Welt zugemüllt bis unter die Decke
Eine Welt zugemüllt bis unter die Decke

Die Story von After Us wird wie bei Journey (unser Review) oder Flower wortlos und fast nur in Bildern erzählt. Die einzige Kommunikation findet mit der Arche statt, weshalb man am Ende eine sehr persönliche Interpretation dessen erleben wird. Die Message von After Us ist aber ein und dieselbe – ein Bewusstsein dafür schaffen, was der Mensch derzeit auf der Erde anrichtet.

Damit After Us nicht zu weit ausholt, hat man sich acht Themen unter den Arten ausgesucht, die im Wesentlichen dazu beitragen, dass die Erde überleben kann. Ob das Bienensterben, der Walfang, der Massenkonsum oder die Umweltverschmutzung durch Öl & Co. Jedes der Themen findet seinen Platz am Sternenhimmel, den man zentral von der Arche aus erreichen kann. Und das ist durchaus ein langer Weg bis dahin.

Medialer Massenkonsum als Sinnbild
Medialer Massenkonsum als Sinnbild

Ein anspruchsvoller Platformer

Würde man After Us aus Sicht des Gameplay beschreiben, ist es ein Platformer durch und durch. Denn die meiste Zeit ist man damit beschäftigt, teils kompliziert zu erreichende Orte zu erklimmen. Das kann das Gefäß des letzten Adler im Käfig sein, die schwebend in der Welt hängen und die man durch aufwendige Sprungmechaniken bis zur Spitze erklimmen muss. An anderer Stelle kreist man durch Milliarden Tonnen an Müll, in denen selbst der beste Orientierungssinn selten eine Hilfe ist. Es gibt aber auch äußerst dynamische Abschnitte, bei denen man auf einer kilometerlangen Rail durch die Welt surft und immer den richtigen Absprung erwischen muss. After Us bietet damit jede Menge Abwechslung von Thema zu Thema, auch wenn man in der Gänze auf ein sehr gemächliches Gameplay setzt, das wie bei Flower eine beruhigende Wirkung haben kann.

Dieses wird lediglich und hin und wieder durch die sogenannten Verschlinger gestört, die auf einen zustürmen und die man mithilfe einer besonderen Kraft besiegen kann. Die Kämpfe wirken dabei recht rudimentär, indem man seine Kraft auf die Verschlinger schleudert oder selbige auflädt, um sie in einer lokalen “Explosion” um sich herum auszubreiten. So müssen einige der Gegner erst zu Fall gebracht werden, um sie dann durch Ausweichen von hinten zu attackieren. Trotz dieser Einfachheit hinterlässt es jedes Mal ein recht befriedigendes Gefühl, wenn sich ein im Vergleich zu Gaja übergroßer Verschlinger vor einem auflöst.

Gaias Kraft hat aber noch eine andere Funktion, nämlich Teile der Erde wieder zum Leben zu erwecken. Hier kommt der Aspekt ins Spiel, wo man direkt an Flower denken muss. Durch eine Kraft-Explosion erblühen ganze Wiesenfelder oder Bäume um einen herum und die einstige Ödnis erwacht zum Leben.

Nicht immer so leicht

Die ganzen Platformer-Elemente, aus denen das Spiel zu schätzungsweise 80 Prozent besteht, haben aber auch ihre Tücken. Die größten Probleme gab es hier  aus perspektivischer Sicht, denn nicht immer lässt sich die Kamera frei bewegen und zum Beispiel Entfernungen richtig abschätzen, was unweigerlich im Tod endet. Da dieser aber keine Konsequenzen hat, ist es fast schon egal. Erschwerend kommt hinzu, dass die gesamte Welt von After Us einen abstrakten Ansatz verfolgt. Viele Elemente sind schwebend oder der richtige Weg ist nicht gleich offensichtlich. Besonders der Bienenstock war hier eine Herausforderung mit seinen Schalterrätseln, während man oft vertikal die Wände am ziemlich real wirkenden Honig hoch und runter gleitet.

Rasante Gameplay-Abschnitte als Kontrast
Rasante Gameplay-Abschnitte als Kontrast

Visuell fällt After Us vor allem durch seinen abstrakten Look auf, der willkürlich und mit wenig System wirkt. Dass viel System dahintersteckt, zeigt sich aber allein daran, dass die Spielwelt funktioniert und es immer einen Weg gibt, wie man zum Ziel kommt. Technisch ist es klar ein Indie-Titel, wobei ich mir nicht selten die Frage gestellt habe, womit After Us erstellt wurde? Erinnerungen kommen hier immer wieder an Media Molecules Dreams auf, wo man ähnliche Kreationen sehen konnte. Das muss aber nichts Negatives bedeuten, denn im Gesamten fühlt man sich gut aufgehoben und wohl in der Spielwelt.

Fazit After Us

TEST: After Us – Ein würdiger Nachfolger von Journey?
“After Us könnte nach Journey und Flower der nächste Geheimtipp werden, über den man noch in einigen Jahren sprechen wird. Das liegt einfach daran, dass es das gleiche und angenehme, ja fast schon beruhigende Gameplay bietet, welches man zwischen den ganzen Action- und Shooter-Titeln vermisst, die sonst am laufenden Band produziert werden. Bis auf kleinere Probleme mit der Kameraperspektive, die zum Nachteil werden kann, findet man in After Us einen würdigen Nachfolger der einstigen Indie-Perlen. Besonders spannend ist aber auch die Story, die viel Eigeninterpretation zulässt und zum Nachdenken anregt, in der man auf visuelle und spielerische Weise darauf aufmerksam macht, was auf dieser Erde gerade so schief läuft oder wo man sich selbst hinterfragt, was der eigene Beitrag dazu ist oder sein kann. After Us ist damit eine wundervolle Ausnahme und somit jederzeit einen Blick wert.”
Plus
Ansprechendes Gesamtkonzept
Leichtfüssiges Gameplay
Anspruchsvolle Platformer-Elemente
Minus
Weg oftmals unklar
Teils hinderliche Kamera
Passagen / Level können langatmig wirken
8
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