TEST: Control – Alles unter Kontrolle?

By Toni Add a Comment
9 Min Read

Control ist die neueste Schöpfung von Entwicklerstudio Remedy – und seit Max Payne 2: The Fall of Max Payne vor 16 Jahren das erste Spiel der Entwickler, das auch auf einer Sony-Konsole erscheint. Ihre namhaftesten Titel der letzten Jahre, Quantum Break und Alan Wake, waren nämlich PC- und Xbox-exklusiv. Wir haben das Spiel für euch ausführlich getestet und verraten euch, ob sich der Kauf lohnt.

Böse Buben im Büro

In „Control“ schlüpfen wir in die Rolle von Jesse Faden (gespielt von Courtney Hope). Die dringt, zu ihrer eigenen Verwunderung völlig ungehindert, in die Geheimbehörde „Federal Bureau of Control“ (FBC) ein, um dort nach ihrem Bruder Dylan zu suchen. Nach einem mysteriösen Vorfall in der Kindheit der beiden Geschwister wurden diese nämlich entzweit und seitdem befindet sich Dylan in Gewahrsam des FBCs. In dem Gebäude der Behörde herrscht jedoch Ausnahmezustand: Eine seltsame Energie, das sogenannte „Zischen“ (englisch: „The Hiss“), breitet sich dort aus und verwandelt Menschen in leblose Hüllen oder fremdgesteuerte, aggressive Marionetten.

Militärische Einsatzkräfte und wenige verbleibende FBC-Mitarbeiter versuchen die Situation unter Kontrolle zu bringen. Diese sind Jesse freundlich gesinnt und sehen in ihr die neue „Direktorin“. Was genau das bedeutet und welche Rolle Jesse in diesem surrealen Durcheinander spielt, wird erst nach und nach aufgelöst.

Soviel vorweg: Die Story ist sehr wirr – und das auch gewollt. Lange Zeit ist unklar, was hier überhaupt passiert, weil wir ohne große Exposition mitten ins Geschehen geworfen werden. Man sollte sich also darauf einstellen, dass sich die Handlung, wenn überhaupt, erst ganz am Ende erschließt. So richtig gezündet hat sie in unserem Fall nicht. Das liegt unter anderem an der Art der Narrative: Die Lore des Spiels ist nämlich in Sammelgegenstände verpackt. Überall in der Welt liegen Dokumente und Aufzeichnungen verteilt, die wir lesen können, um mehr über die Hintergründe zu erfahren – eine Mechanik, auf die auch zahlreiche Indie-Horrorspiele zurückgreifen. Dadurch drängt sich die Geschichte zwar nicht auf, die Entwickler machen es sich aber auch ein bisschen leicht, indem sie die komplette Backstory in unzählige Puzzlestücke fragmentieren, anstatt sie über die Spielwelt und die Charaktere zu vermitteln. Die Haupthandlung wird zwar durch Dialoge und hochwertige Cutscenes erzählt – wer sie allerdings in ihrem vollen Ausmaß verstehen will, muss sich zwangsläufig durch etliche Schriftstücke wälzen.

Paranormale Powerfrau

Jesse ist übrigens kein gewöhnlicher Mensch: Sie verfügt über telekinetische Fähigkeiten und kann per Gedankenkraft Gegenstände aufheben und durch die Luft schleudern, um sie in gefährliche Projektile zu verwandeln. Darin besteht auch die zentrale Spielmechanik. Wir müssen uns nämlich gegen allerlei Widersacher, die vom „Zischen“ besessen sind, zur Wehr setzen. Und so viel können wir sagen: Es fühlt sich verdammt gut an, Feinden per Knopfdruck Umgebungsgegenstände um die Ohren zu hauen. Im Verlauf des Spiels kommen noch weitere Fähigkeiten dazu: Wir lernen zum Beispiel, durch die Luft zu schweben, nach vorne zu dashen, oder einen Schild zu erzeugen, der feindliche Angriffe abwehrt. Die Fähigkeiten sind teilweise optional: Wir erlernen sie, indem wir entsprechende Nebenquests absolvieren. Wer gut gerüstet ins Endgame gehen will, sollte also auch abseits der Haupthandlung Aufgaben erledigen. Indem wir Erfahrungspunkte sammeln und aufleveln, können wir unsere Fähigkeiten verbessern. Neben Lebens- und Schadensboni erlernen wir so zum Beispiel auch, Gegner durch die Luft zu schießen oder Granaten und Projektive abzufangen und zurückzuschleudern.

Außerdem steht uns eine Schusswaffe zur Verfügung, die wir aufrüsten und modifizieren können. Durch Crafting-Items schalten wir neue Waffentypen frei und können diese auch noch mit zusätzlichen Upgrades versehen. Alles in allem fühlt sich das Gunplay weitgehend befriedigend an, auch wenn es spielerisch wenig komplex ist. Eine Deckungsmechanik, wie sie in modernen Third-Person-Shootern mittlerweile selbstverständlich ist, gibt es nämlich nicht. Und die K.I. der Gegner ist recht stupide – was im Kontext der Handlung allerdings auch irgendwie Sinn ergibt.

Von Etage zu Etage

Ausgenommen von ein paar surrealen Exkursen, spielt sich „Control“ ausschließlich in der FBC-Zentrale ab. Besonders abwechslungsreich ist die Umgebung also nicht. Durch ihre visuelle Gestaltung kommt aber trotzdem Atmosphäre auf. Die Spielwelt funktioniert nach dem Metroidvania-Prinzip: Sie hängt zwar zusammen, allerdings können wir sie nicht von Anfang an vollständig erkunden, sondern müssen sie schrittweise freischalten. Wir finden zum Beispiel Schlüsselkarten, die uns Zugang zu Bereichen mit höheren Sicherheitsstufen verschaffen. Backtracken können (und müssen) wir ebenfalls. Nach und nach bahnen wir uns in den 10 bis 15 Stunden Spielzeit so einen Weg durchs Gebäude.

Ein bisschen schade ist: Um uns zurechtzufinden, müssen wir uns sehr stark auf die Map verlassen. Andernfalls verlieren wir in diesem Wirrwarr aus Büroräumen schnell die Orientierung. Hin und wieder haben wir sogar trotz Karte mit Raumplan Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden. Cleveres World-Building, wie wir es zum Beispiel aus den Spielen von Entwicklerstudio Naughty Dog kennen, ist Remedy hier nicht gelungen.

Lobend hervorheben wollen wir dafür die Art und Weise, wie sich die Umgebung beeinflussen lässt: Durch die telekinetischen Fähigkeiten können wir nämlich nicht nur einen Großteil der Gegenstände bewegen, sondern auch Teile der Spielwelt zerstören, um beispielsweise Gegner aus ihrer Deckung zu holen. Abseits von Kämpfen hat das aber kaum Relevanz.

Performance-Probleme und körnige Optik

Was die technische Umsetzung betrifft, müssen wir Remedy mit der Kritik-Keule leider ordentlich abwatschen: „Control“ hat nämlich einige Macken und Probleme, die das Spielvergnügen erheblich schmälern. Fangen wir mit der Optik an: Die ist weitgehend okay – mehr aber auch nicht. Mit dem aktuellen Triple-A-Segment kann „Control“ visuell nicht mithalten. Auf High-End-PCs mag das Spiel ein Visual-Showcase für Raytracing-Technologie sein – auf der Konsole bekommen wir davon aber nichts mit. Die Umgebung ist zwar stimmig, allerdings auch recht detailarm. Die Charaktermodelle, insbesondere das von Jesse, sind weitgehend gelungen, befinden sich durch hölzerne Mimik und steife Bewegungsanimationen aber auch noch weit im Uncanny Valley. Deutliche Abstriche machen sich bei der Auflösung bemerkbar: Auf der Standard-PS4 läuft „Control“ gerade einmal in 900p (bei der Konkurrenzkonsole Xbox One übrigens nur in 720p). Wir haben die PS4 Pro-Version getestet und hier zumindest Full-HD-Auflösung bekommen. Insgesamt ist die Optik aber recht körnig, scheint stellenweise mit einem starken Film Grain unterlegt zu sein und weist flimmernde Kanten auf.

Problematisch ist auch die Performance: In Kämpfen bricht immer mal wieder die Framerate ein – auch auf der PS4 Pro. Nach Zwischensequenzen friert teilweise sekundenlang das Bild ein. Besonders nervig: Ausnahmslos jedes mal, wenn wir aus dem Pausenmenü kommen, stockt das Spiel für einige Sekunden massiv. Und nachdem wir die Schnellreisefunktion genutzt haben (die uns vor einen relativ langen Ladebildschirm setzt), ist oftmals die Map nicht geladen – teilweise sogar für mehrere Minuten. Wenn wir einen Blick auf die Karte werfen wollen, um uns zurechtzufinden, sind dort keine Räume eingezeichnet. Da vergeht einem schon mal die Lust am Zocken.

Übrigens gibt es in „Control“ auch Live-Action-Szenen mit echten Schauspielern. Die sind an sich schön in das Spiel eingearbeitet, haben allerdings auch einen schwer zu übersehenden Makel: Der Ton ist (zumindest im O-Ton) asynchron zum Bild – und zwar so auffällig, dass wir uns nicht erklären können, dass die Entwickler das so ins Spiel übernommen haben. Asynchrone Voicelines gibt es auch in den animierten Cutscenes, wenn auch etwas weniger häufig. Alles in allem ist „Control“ schlecht optimiert und hätte noch ein ganzes Stück technische Politur vertragen können. Die Entwickler haben zwar versprochen, Patches nachzuliefern, die die Performance auf den Konsolen verbessern sollen, zum Zeitpunkt des Releases wirkt das Spiel aus technischer Sicht aber sehr unfertig.

TEST: Control – Alles unter Kontrolle?
Wenn man sich auf Control einlässt, kann man sich durchaus von der düsteren Atmosphäre vereinnahmen lassen. Und die Spielmechanik ist im Kern überaus befriedigend. Die Kämpfe mit den telekinetischen Fähigkeiten gehen gut von der Hand, auch wenn der spielerische Handlungsfreiraum recht überschaubar bleibt. Was die Technik anbelangt, muss man aber ein Auge sehr wohlwollend zudrücken, um über die Mängel hinwegzusehen. Was irgendwie schade ist, denn in Control steckt eigentlich eine Menge Potenzial.
7
TAGGED:
Share This Article

(*) PlayFront.de verwendet Affiliate-Links von bekannten Shops und Plattformen. Wenn ihr über diese Links einkauft, bekommen wir eine kleine Provision. Für euch kostet das keinen Cent mehr, aber ihr tut uns trotzdem einen Gefallen – Win-win, oder? Danke dafür!

Leave a Comment
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
Checkbox
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments

Stay Connected

Enable Notifications OK No thanks