TEST: The Thaumaturge – Die eigenen Dämonen zum Kampf einsetzen

The Thaumaturge: Meistere die dunkle Kunst, beschwöre deine inneren Dämonen und lenke sie, um Gegner zu besiegen und die Geheimnisse einer mystischen Welt zu lüften. Wird das Spiel seinem Ruf gerecht?

Patrick Held Add a Comment
8 Min Read

Jeder hat seine inneren Dämonen. Aber was, wenn man sie sieht und sie sogar im Kampf einsetzen kann? Genau die Idee verfolgt das polnische Studio Fool’s Theory, das gemeinsam mit Publisher 11 Bit Studios den Titel „The Thaumaturge“ veröffentlicht, im März 2024 bereits für Windows, mit etwas Verspätung dann jetzt auch für die Konsolen. Der Titel verfolgt dabei einige interessante Ansätze, bei denen man im ersten Moment nicht davon ausgeht, dass sie wirklich überzeugen. Aber lassen wir uns doch einmal überraschen.

When the days are cold, and the cards all fold

Polen, 1905. Wir schlüpfen in die Rolle von Wiktor Szulski, der ein schweres Schicksal mit sich trägt: Er ist ein Thaumaturg. Das Spiel beschreibt diese wie folgt:

Thaumata ist dem Griechischen entlehnt und bedeutet „Wunder«, Ein Thaumaturg oder Temperomant ist ein Mensch mit der Fähigkeit, nachklingende Geheimnisse an Personen und Orten wahrzunehmen.

Thaumaturgen erkennen Laster, dem menschlichen Geist eingeprägte Stigmen, und können sie zum Vorschein bringen. Sind sie eine Art Seelenärzte?

Das Wesen eines Thaumaturgen zu verstehen, ist jenen, die nicht selbst mit der Gabe geboren sind, unmöglich.“

Wiktor selbst trägt seinen eigenen Dämon mit sich. Sein Laster ist der Stolz, der ihn immer begleitet und wie ein Geist über ihm schwebt. Das tut er sogar tatsächlich, denn seinen inneren Dämon sieht er wirklich und kann sogar mit ihm interagieren. Dank seiner Verbindung und seiner Gabe ist er in der Lage, Echos von Erlebnissen und Charakterzügen verschiedener Personen wahrzunehmen oder Personen sogar zu beeinflussen. Ein hilfreiches Mittel in einer Zeit, die durch innere Unruhen, kriegsähnliche Zustände sowie die Angst vor fremden Mächten und Geistern heimgesucht wird. Der Titel vermischt hier Elemente der Russischen Revolution wie etwa in Form von kulturellen Auseinandersetzungen der Figuren gekonnt mit fiktiven Elementen, wie der Angst der Bevölkerung vor Dämonen und Thaumaturgen, die in der Gesellschaft kein Geheimnis, aber bei weitem auch nicht erwünscht sind.

Wiktor verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Er will neben seinem bereits vorhandenen Dämon „Stolz“ noch weitere Dämonen an sich binden und sie seinem Willen unterwerfen, um noch stärker und mächtiger zu werden. Ein gefährliches Unterfangen, das ihn bereits einmal fast in den Verlust seines Verstandes getrieben hätte. Nachdem er wieder zu Kräften gekommen ist, muss er in seiner Heimat Warschau verschiedene Geheimnisse aufdecken, etwa den Tod seines eigenen Vaters und dessen verdeckte Machenschaften, wobei ihm seine Fähigkeiten sehr zugutekommen.

„The Thaumaturge“ bietet ein spannendes und unverbrauchtes Setting, welches mit einer ansprechenden Story verknüpft wurde. Es gibt verschiedene Herangehensweisen und einige Wendungen, die uns im Laufe der Geschichte immer wieder überrascht haben. Die Spannungskurve ist auf jeden Fall gut umgesetzt worden und schafft es so, über die gesamte Dauer zu unterhalten.

Sherlock und Schlächter

Bei „The Thaumaturge“ handelt es sich um ein isometrisches Rollenspiel mit rundenbasierten Kämpfen. Das bedeutet, dass wir zwei verschiedene Spielstile geboten bekommen. Zum einen können wir mithilfe unserer Wahrnehmung Spuren und Erinnerungen sehen, die uns in Gesprächen und Entscheidungen durch entsprechende Schlussfolgerungen weiterhelfen. Je nach Stil und Situation können wir unterschiedlich vorgehen, mal entspannt und vorsichtig, mal aggressiver oder sogar mithilfe unserer Kräfte. Aber Achtung: unsere Entscheidungen haben eine Auswirkung auf das weitere Spiel und darauf, wie uns andere Charaktere wahrnehmen und was sie bereits über uns wissen. Die Rätsel sind gut gestaltet und laden dabei zum Erkunden und Herumprobieren ein, um auch wirklich alle Informationen und Puzzleteile aufzudecken.

Immer wieder treffen wir auf Menschen und Dämonen, die uns definitiv an den Kragen wollen. Zum Glück sind wir nicht nur gute Detektive, sondern auch exzellente Kämpfer. In rundenbasierten Kämpfen suchen wir unsere Angriffe und Aktionen aus und versuchen so die Gegner zu erledigen, bevor sie uns treffen. Auch unsere Laster können mit ihren Geisterkräften zuschlagen und uns damit einen deutlichen Vorteil verschaffen. Insgesamt sind die Kämpfe ausgezeichnet angelegt, könnten allerdings etwas mehr Tempo und Action vertragen. Sie kommen häufig leider etwas zu sanft daher, dafür drängen sie sich nicht auf und sind auch relativ schnell bewältigt. Alles in allem also durchaus erträglich.

Im Laufe der Zeit sammeln wir Erfahrungspunkte und können damit unsere Fähigkeiten verbessern und so sowohl neue Hinweise aufdecken, als auch neue Angriffe freischalten oder verbessern. Man sollte seine Entwicklung definitiv im Blick behalten und seine Punkte ausgeben, um so in Gesprächen die passenden Wege gehen zu können. Man darf hier keine großen RPG-Spektakel erwarten, die Features sind aber ansprechend und eine willkommene Ergänzung zum Gameplay.

Warschau, teuflisch schön

Wir steuern Wiktor aus der Vogelperspektive durch die Straßen von Warschau, die sowohl karg und bedrückend daher kommen, auf der anderen Seite aber auch Reichtum und Wohlstand präsentieren. Dazu kommt ein Konflikt verschiedener Kulturen zur Zeit der Russischen Revolution, der in vielen der Dialoge und den Zeitungen, die überall verstreut sind, Anklang findet. Die Straßen sind dank der Unreal Engine 5 gefüllt mit einer Vielzahl von Details und fühlen sich dadurch sehr lebendig an. Sie laden damit zum Stöbern ein, damit man auch ja keine Elemente übersieht oder verpasst. Hervorzuheben sind die Lichtelemente, die jedes Viertel entsprechend erscheinen lassen. Ein paar Abstriche muss man bei den Charaktermodellen machen, die nicht ganz mit den absoluten Top-Titeln mithalten können.

Dazu passt auch der Sound, der sich sehr dezent ins Spiel einpflegt. Die Musik während der Kämpfe ist packend und bleibt im Gedächtnis, während die starke Sprachausgabe dazu beiträgt, die Authentizität der Spielwelt zu verstärken. Mit starkem Fokus auf slawische Themen und minimalistischer, atmosphärischer Musik unterstreicht er die Spannung und das Geheimnis der Handlung, wie sie auch im Launch-Trailer betont werden. Akustische Instrumente wie Streicher und Klavier erzeugen eine disharmonische Klanglandschaft, die Wiktors innere Konflikte und die düstere Stimmung von Warschau der damaligen Zeit wiedergibt.

Alles zusammen ist die Atmosphäre gut gelungen und passt zu Gameplay und Story. Sie schafft es, dass man sich wirklich in der Spielwelt verliert und alles genau erkunden möchte. Es gibt eine Vielzahl an Details zu sammeln, die einem eine Menge über das Warschau von 1905 erzählen und einen tief eintauchen lassen. Der Soundtrack ist gut gewählt und die Grafik gelungen, auch wenn sie nicht mit der eines AAA-Titels mithalten kann. Die Kameraführung passt gut zu den anderen Elementen und rundet das Paket vollständig ab und bietet einige interessante Ansätze, die man etwa aus Titeln wie Disco Elysium kennt.

Fazit

The Thaumaturge Review
TEST: The Thaumaturge – Die eigenen Dämonen zum Kampf einsetzen
Mit "The Thaumaturge" ist dem Team von Fool's Theory ein toller Mix verschiedener Stile und Elemente gelungen, der wirklich für viel Unterhaltung sorgt. Die Story ist ansprechend, die Atmosphäre gelungen, und vor allem das Gameplay kann langfristig unterhalten. Das liegt vor allem an den zwei verschiedenen Stilen, welche der Titel in sich vereint. Leider sind einige Elemente nur rudimentär vorhanden, wodurch das Spiel gelegentlich Potenziale liegen lässt. Trotzdem macht der Titel einen guten Eindruck und kann überzeugen.
Positiv
ansprechende Story
toller Gameplay-Genre Mix
Atmosphäre fängt das Gefühl von 1905 gut ein
Negativ
Charaktermodelle nicht ganz ausgereift
Kämpfen fehlt es an Action
RPG-Elemente nur rudimentär ausgeprägt
8
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