TEST: Atomfall – Britische Apokalypse mit Stil – aber auch mit Stolpersteinen

Atomfall im Test: Starke Story, cleveres Gameplay und tiefe Immersion – doch Bugs, Designmacken und Orientierungslosigkeit erfordern Geduld.

7 Min. Lesen

Rebellion ist für seine Sniper Elite-Reihe bekannt, doch mit Atomfall wagt das Studio einen mutigen Schritt in unbekanntes Terrain. Der Mix aus Survival-Shooter, Mystery-Adventure und Sci-Fi-Rollenspiel ist ambitioniert – aber geht das Experiment auf? Die Antwort ist so komplex wie das Spiel selbst.

Ein radioaktives Szenario mit Tiefgang

Atomfall spielt in den 1960er-Jahren, fünf Jahre nach dem realen Windscale-Atombrand von 1957. Doch statt auf eine nüchterne Geschichtsstunde setzt Rebellion auf eine düstere „Was-wäre-wenn“-Erzählung: Eine streng abgeriegelte Quarantänezone in Großbritannien wird zur Bühne einer mysteriösen Katastrophe. Die ersten Schritte in dieser Zone sind beklemmend. Es ist still, viel zu still. Verlassene Häuser, halb geplünderte Läden, rostige Fahrzeuge, die irgendwo liegen geblieben sind. Die wenigen verbliebenen Bewohner? Sie tuscheln von unheimlichen Erscheinungen, von Schatten, die sich in der Nacht bewegen, von Stimmen im Wind. Ein Science-Fiction-Setting, das so glaubwürdig inszeniert ist, dass man sich fast schon selbst verstrahlt fühlt.

Eine Welt voller Geschichten und Gefahren

Kaum betritt man die Quarantänezone, gerät man mitten in einen Konflikt zwischen unterschiedlichen Fraktionen. Gesetzlose, militante Gruppen und fanatische Sekten buhlen um Einfluss. Mittendrin: eine geisterhafte Bedrohung, die sich durch die verstrahlten Wälder schleicht. Menschen mit leuchtenden Augen murmeln von einer neuen Ordnung, einer Stimme, die zu ihnen spricht. Sind es die Nachwirkungen der Strahlung? Oder steckt mehr dahinter?

Wie man auf diese Bedrohung reagiert, bleibt dem Spieler überlassen. Verhandelt man mit den Gesetzlosen oder nutzt man eine List, um unbemerkt an ihnen vorbeizukommen? Entscheidet man sich für den Kampf, kann jede Auseinandersetzung zum Tödlichen werden. Ressourcen sind knapp, Munition noch knapper. Und wer zu oft in den Nahkampf geht, riskiert eine Infektion mit unbekannten Folgen.

Freiheit mit einigen Haken

Atomfall bietet eine erfreuliche Freiheit in der Spielweise. Statt eines klassischen XP-Systems verbessert man seine Fähigkeiten durch Erkundung und das Finden von Stimulanzien. Wer Zeit investiert, findet Rezepte für Heilgegenstände oder Wurfwaffen und kann sich so im Kampf Vorteile verschaffen.

Doch diese Freiheit hat ihre Grenzen. Einige Missionen sind so offen gestaltet, dass sie ins Nichts laufen. In einem Fall habe ich stundenlang Spuren verfolgt, nur um festzustellen, dass der Questgeber schlicht nicht mehr reagierte. Bugs oder Design-Entscheidung? Schwer zu sagen, aber frustrierend allemal. Es dauert eine ganze Zeit bis wir zumindest ansatzweise verstanden haben, was unsere Aufgabe im Spiel ist und wie wir diese wahrscheinlich bewältigen können. Wir finden immer wieder neue Hinweise und Bruchstücke von Lösungsansätzen, ob das aber alles so richtig ist was wir hier treiben, keine Ahnung. Rebellion hatte diesen Ansatz zuvor angedeutet, mit dem man frischen Wind in das Genre bringen will. Das Ganze fällt ein wenig unter die „experimentellen Features„, die Rebellion mit Atomfall ausprobieren wollte.

Hinzu kommt, dass Atomfall es uns wirklich nicht leicht macht am Leben zu bleiben. Wir sammeln zwar schon zu Beginn ein paar rudimentäre Waffen, wirklich zur Wehr können wir uns damit aber bei Weitem nicht setzen. Die Folge: immer wieder sterben wir und setzen beim letzten Checkpoint wieder neu an. Wo man allerdings vernünftige Waffen und Ausrüstungen her bekommt bleibt fraglich, zumal Gegnerhorden immer wieder auch einfach viel zu umfangreich sind, um ihnen wirklich etwas entgegenzusetzen. Hier fehlt es leider an der richtigen Balance.

Atmosphäre: Ein Meisterwerk mit Störgeräuschen

Die Welt von Atomfall ist optisch beeindruckend. Anders als Genre-Kollegen wie Fallout oder S.T.A.L.K.E.R. setzt das Spiel nicht auf eine trostlose Wüstenlandschaft, sondern auf eine beängstigend schöne, verwilderte Umwelt. Dichte Wälder, neblige Sümpfe, verlassene Dörfer – jede Ecke erzählt ihre eigene Geschichte. Dazu passen auch die vielen nebenher laufenden Handlungsstränge, die uns nicht immer direkt betreffen, die Welt aber mit Leben füllt. Wir belauschen Gespräche, lesen Notizen und erfahren so insgesamt einiges von der Welt um uns herum. Die doch so kahle Spielwelt wird dadurch gekonnt zum Leben erweckt.

Das gelingt Atomfall vor allem dadurch, dass es an jeder Ecke eine erdrückende Authentizität ausstrahlt. Jeder Winkel dieser zerfallenen Landschaft scheint von einer vergessenen Zivilisation zu flüstern – dank des fein abgestimmten Lichts und der atmosphärischen Effekte wie radioaktivem Nebel und wilden Staubstürmen. Diese Details hauchen der offenen Welt Leben ein und schaffen eine immersive, beinahe greifbare Stimmung der Verlassenheit. Zwar leidet das Spiel unter einigen technischen Unebenheiten, doch seine künstlerische Vision bleibt ungebrochen. Besonders reizvoll ist die subtile Fusion von Retro-Elementen, die dem Spiel seinen eigenen, unnachahmlichen Charme verleiht. Wenn Rebellion die grafischen Mängel in zukünftigen Updates behebt, könnte „Atomfall“ zu einem visuellen Meisterwerk aufsteigen, das die Spielwelt noch intensiver in seinen Bann zieht.

Das Sounddesign unterstützt diese Immersion hervorragend, auch wenn es mit einigen Patzern zu kämpfen hat. Die Kampfmusik setzt gelegentlich zu früh oder zu spät ein und einige Dialoge werden abrupt abgeschnitten. Kein Gamebreaker, aber genug, um die dichte Atmosphäre gelegentlich zu stören.

Technische Probleme und Design-Schwächen

So faszinierend Atomfall auch ist, es hat seine Schwächen. Zwei der wichtigsten Werkzeuge – ein Dietrich und ein Metalldetektor – funktionieren nicht immer wie vorgesehen. Manchmal verschwinden Interaktionsoptionen einfach, sodass man neu laden muss.

Noch größer ist das Problem mit der Entscheidungsfreiheit. Atomfall will ein Spiel der Konsequenzen sein, doch manche Enden sind schlicht verbuggt. In zwei Fällen brach die Hauptquest ab, ohne dass ich wusste, warum. Ich hatte alle Hinweise befolgt, doch das Spiel weigerte sich, mich weiterzulassen.

Ansonsten läuft Atomfall ziemlich rund, zumindest auf der PS5. Und auch optisch hat Rebellion einen großen Schritt nach vorne gemacht, wo ich bisher eher Mittelmaß erwartet hätte.

Fazit

atomfall review
TEST: Atomfall – Britische Apokalypse mit Stil – aber auch mit Stolpersteinen
"Atomfall ist ein faszinierendes Experiment: ein erzählerisch starker Shooter mit tiefgehender Welt, cleverem Gameplay und starker Immersion. Doch es wird von technischen Problemen, unklaren Herangehensweisen und fragwürdigen Design-Entscheidungen gebremst. Ein wenig mehr Feinschliff hätte dem Spiel gutgetan, damit wir nicht regelmäßig verloren durch die Spielwelt irren. Wer sich aber in eine radioaktive Mystery-Welt stürzen will, kann das tun, ohne sein Konto zu sprengen. Aber seid gewarnt: Atomfall ist nicht nur spielerisch herausfordernd, sondern auch in seiner Geduld mit Bugs und Designmacken. Geduld und ein gewisses Maß an Entdeckergeist sind hier zwingend notwendig. Und falls ihr irgendwann Stimmen hört, die euch raten, eine Sekte zu gründen – vielleicht ist es an der Zeit, eine Pause einzulegen."
7.5
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