Mit „Ghost of Yōtei“ legt Sucker Punch ordentlich nach. Der neue Trailer lässt keine Zweifel offen: Atsus Reise durch das raue Ezo, dem heutigen Hokkaido, wird blutiger, wilder und vielseitiger als alles, was „Ghost of Tsushima“ je war. Kusarigama, Yari, Odachi und Schusswaffen – die Waffenvielfalt ist beeindruckend und laut Co-Creative Director Jason Connell „für das Spielgefühl völlig neu“. Und doch: Im Kern bleibt alles beim Katana. Warum also dieses Aufrüsten?
„Schon wieder Japan?“ – Wenn Open World zur Routine wird
Denn das Timing wirkt fast wie ein Befreiungsschlag – oder eine Kampfansage an „Assassin’s Creed Shadows“, das ebenfalls im feudalen Japan angesiedelt ist und nur ein halbes Jahr später erscheint. Ubisoft liefert mit „Assassin’s Creed Shadows“ eine Dual-Protagonisten-Erfahrung samt Schleich- und Samurai-Gameplay. Kommt uns das bekannt vor? Ja – „Ghost of Tsushima“ ließ grüßen – halt nur alleine unterwegs. Nun antwortet „Ghost of Yōtei“ mit mehr Waffen, mehr Wildnis und mehr Open World. Die Frage, die bleibt: Brauchen wir das wirklich schon wieder – und so schnell?
Die Ähnlichkeiten beider Titel sind frappierend. Beides sind Open-World-Games im historischen Japan, beide setzen auf realistische Kulisse und persönliche Rachegeschichten. Nur dass Ubisoft mit Naoe und Yasuke zwei sehr unterschiedliche Wege geht – Schattentöterin trifft auf Krieger – während „Ghost of Yōtei“ mit Atsu eine einsame Wolfsgeschichte erzählt. Dabei folgt auch sie einem klaren Pfad: Familie verloren, Zielpersonen markieren, der Reihe nach eliminieren. Dass die Spieler dabei selbst entscheiden, wen sie zuerst töten, ist nett, aber kaum revolutionär.
Dass die Entwickler mit „dem offensten Spiel, das wir je gemacht haben“ werben, klingt wie ein Versprechen – oder wie eine Floskel, die wir mittlerweile aus jedem zweiten PR-Blatt kennen. Ja, Ezo klingt mit seinen wilden Biomen, majestätischen Orten und einem treuen Wolf an der Seite reizvoll. Aber reicht Naturkulisse als Differenzierung, wenn „Assassin’s Creed Shadows“ gleich daneben mit historisch akkurater Nachbildung Kyotos und internationaler Bekanntheit winkt?
Exklusiv, episch, überwältigend – aber vielleicht zu viel des Guten
Natürlich wird „Ghost of Yōtei“ seine eigene Daseinsberechtigung haben. Die Verbundenheit zur Waffe, die Suche nach Meistern, das Samurai-Kino-Flair à la Yojimbo – das alles sind kulturell aufgeladene Elemente, die Sucker Punch zweifellos stilvoll inszenieren wird. Doch man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier vor allem Geschwindigkeit und Reaktion auf Markttrends regieren. „Ghost of Yōtei“ wirkt fast zu gezielt auf eine Lücke zugeschnitten, die „Assassin’s Creed Shadows“ gerade erst aufmacht – bevor sie überhaupt existieren kann.
Und das wirft eine größere Frage auf: Hat der Samurai-Hype nach „Ghost of Tsushima“ und „Assassin’s Creed Shadows“ nicht schon jetzt seinen Sättigungspunkt erreicht? Oder verkommt das feudale Japan gerade zur neuen Open-World-Kulisse von der Stange – auswechselbar, aufpoliert, vermarktbar? Trotz aller berechtigten Zweifel: „Ghost of Yōtei“ hat das Potenzial, ein echtes Meisterwerk zu werden – vor allem technisch. Wenn Sucker Punch eines bewiesen hat, dann, dass sie die PS5 und PS5 Pro bis ins letzte Teraflop ausreizen können. Schon der neueste Trailer zeigt gestochen scharfe Bilder, flüssige Animationen und eine Welt, die lebendiger wirkt als vieles, was uns zuletzt in Open Worlds begegnet ist. Und nicht zu vergessen: „Ghost of Yōtei“ erscheint exklusiv für PlayStation – was allein schon eine gewisse Qualitätsgarantie mit sich bringt. Keine Kompromisse für andere Plattformen, keine nachträglichen Downgrades – nur volle Power für eine klar definierte Hardware. Das ist ein Luxus, den viele Spiele heute nicht mehr bieten.
Schlechtes Timing ist ein großes Problem
Aber – und das ist mein ganz persönliches Problem: Nach dem, was „Assassin’s Creed Shadows“ gerade auffährt, mit seinen zwei Spielweisen, seinem historischen Anspruch und dem ewig langen Umfang (wo ich ehrlich gesagt immer noch kein Ende sehe), fällt es mir schwer, direkt im Anschluss wieder Lust auf die nächste große Open World zu verspüren. Es fühlt sich fast an wie ein Déjà-vu. So gut „Ghost of Yōtei“ auch aussieht – ich bin mir nicht sicher, ob ich den mentalen Speicherplatz habe, sofort wieder ein Schwert zu schwingen, mich durch endlose Regionen zu kämpfen und erneut ein episches Drama zu durchleben.
Wenn „Ghost of Yōtei“ wirklich mehr sein will als nur das nächste Spiel mit Katana, dann wird es sich an „Ghost of Tsushima“ messen lassen müssen – und nicht an Ubisoft. Ein zweiter Schatten wirft eben nur selten ein eigenes Licht.
„Ghost of Yōtei“ erscheint am 02. Oktober, während „Assassin’s Creed Shadows“ bis dahin mit weiteren Inhalten nachlegt.
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