Wenn der Asphalt unter dem Drifter-Bike knirscht und das Zwielicht durch die verrotteten Äste der Wälder Oregons bricht, ist man sofort wieder mittendrin: in der Welt von „Days Gone„, wo der Geruch von verbranntem Gummi, Motoröl und Verzweiflung gleichermaßen in der Luft hängt. Sechs Jahre nach dem PS4-Original kehrt Deacon St. John zurück – diesmal in 4K, mit dunklerer Nacht und einem Mond, der realistischer strahlt als jemals zuvor. Doch reicht das für ein echtes Comeback? Oder bleibt es beim Versuch, aus einer ehemals soliden, aber nicht gefeierten Zombie-Open-World ein zweites Leben herauszukitzeln?
Oregon, du schönes Wrack
Die Spielwelt von „Days Gone“ war schon immer einer der größten Stars – und das bleibt auch im Remaster so. Farewell, das fiktive Oregon dieser düsteren Post-Pandemie, ist ein raues, beinahe poetisches Stück digitaler Natur: schneebedeckte Berghänge, dichte Wälder, rostige Tankstellen und vergessene Friedhöfe erzeugen ein Gefühl von „amerikanischem Untergang“ zwischen Romantik und Ruin. Die neue Beleuchtung holt aus dieser Kulisse noch mehr raus – zumindest optisch – und ist eines der Highlights in der Remastered-Fassung.
Doch auch wenn die Welt jetzt hübscher glitzert, krankt sie an den gleichen Dingen wie früher: Sie lebt nicht. Zwar lauern überall Gefahren, sei es durch Freaker, Ripper-Kulte oder andere Plünderer – aber echte Dynamik fehlt. Man beobachtet selten überraschende Begegnungen zwischen KI-Fraktionen, und dass Camps reagieren, wenn man ihnen hilft, bleibt ein Wunschdenken. Oregon wirkt noch immer wie ein wunderschön designter Friedhof mit gelegentlichem Adrenalin-Schub.
Biker mit Herz – und nervigem Hang zur Melancholie
Deacon St. John, unser Held im zerschlissenen Kuttenleder, bleibt eine ambivalente Figur. Zwischen stoischer Härte, Sentimentalität und immer wieder eingestreuten Rückblenden zu seiner verschwundenen Frau Sarah, schwankt sein Charakter irgendwo zwischen tragischem Outlaw und klischeehaftem Grunzer. Auch im Remaster ist sein Sprecher schwer zu ignorieren – oder besser: zu überhören. Denn Deacon redet mit sich selbst. Viel. Laut. Und in einer Tonlage, die oft mehr nach Wutausbruch als nach innerem Monolog klingt.
Die Story selbst bleibt dabei eine der besseren im Zombie-Genre – gerade weil sie sich Zeit lässt. Anstatt einem klaren Ziel zu folgen, verzweigt sich die Handlung in viele kleinere Episoden: die Geschichte um Lisa, das Mädchen mit PTSD; die moralisch grauen Campführer wie Ada Tucker; oder Deacons Beziehung zu seinem besten Freund Boozer, der nicht nur seinen Arm, sondern auch fast seinen Lebenswillen verliert. Das alles ist nicht spektakulär neu, aber zumindest glaubwürdig inszeniert – unterstützt von Cut-Scenes, die teilweise Kinoqualität erreichen.
Zwischen Hordenwahnsinn und Stealth-Alltag
Der große Clou von „Days Gone“ war und ist: die Freaker-Horden. Diese gewaltigen, pulsierenden Schwärme aus Zombies sind nicht nur visuell beeindruckend, sondern auch gameplaytechnisch fordernd. Im Remaster hat man hier ordentlich aufgedreht: bis zu 800 Freaker gleichzeitig stürzen sich im neuen „Hordenangriff“-Modus auf euch. Das sieht spektakulär aus, spielt sich aber auch weiterhin wie eine Mischung aus Glück, Trial & Error und gelegentlichem Rage-Quit.
Denn so beeindruckend die Massen an Gegnern auch sind, die Taktik dahinter bleibt rudimentär. In engen Korridoren lassen sich Horden einigermaßen kontrollieren – in offenen Gebieten wird es zur Geduldsprobe. Der neue Modus verspricht mehr Freiheit, fühlt sich aber schnell an wie ein Arena-Modus auf Speed. Schön chaotisch, aber ohne den erzählerischen Unterbau verliert man schnell die Lust – besonders, weil der Ressourcenverbrauch hoch, die Belohnung aber eher mager ist.
Speedrun, Permadeath und neue Features – sinnvoll oder nur Füllmaterial?
Neben dem Hordenangriff wartet das Remaster mit zwei weiteren neuen Modi auf: Speedrun und Permadeath. Der eine richtet sich an Hardcore-Spieler, die ihre Zeiten mit der Welt teilen möchten, der andere an Masochisten mit stahlharten Nerven. Beides nette Ergänzungen, aber auch klar außerhalb der Zielgruppe des Originalspiels. Wer sich „Days Gone“ wegen der melancholischen Atmosphäre und Story gekauft hat, wird hier kaum neuen Spielspaß finden – sondern eher das Gefühl, dass hier noch ein paar Features für die Produktbeschreibung gebraucht wurden – oder alternativ eine blumige Erklärung dafür, warum Sony plötzlich Eintritt verlangt für das, was früher noch als Fanservice durchging – ganz ohne Preisschild.
Wirklich hilfreich wäre ein überarbeiteter Fortschritt gewesen: Noch immer bekommt man die nützlichsten Skills erst spät, das Waffenhandling bleibt schwammig, und viele Upgrade-Systeme wirken oberflächlich. Selbst das Bike – nach wie vor treuer Begleiter und Benzin-Junkie – bietet zwar Customizing, aber kaum echte Entscheidungsfreiheit. Am Ende ist Deacons Maschine eher ein etwas sturer Begleiter als das coole Motorrad-Totem, das sie sein könnte. Über die nach wie vor strunzdumme KI verliert man besser gar kein Wort – sie tut das ja schließlich auch nicht.
Crafting & Ressourcen – die stille Apokalypse der Inventarverwaltung
Wer „Days Gone“ kennt, weiß: Crafting und Ressourcenmanagement gehören zum Alltag. Molotovs, Heilmittel, Munition – alles will gesammelt, hergestellt und verwaltet werden. Und obwohl man mittlerweile an jeder Ecke was aufliest, fühlt sich das Ganze seltsam zäh an. Besonders im Hordenmodus geht einem das ewige Herumsuchen nach Nägeln und Lappen schnell auf die Nerven. Dazu kommt, dass viele Items weiterhin nicht stacken oder zu wenig Platz im Inventar ist – ein Relikt alter Designphilosophie.
Gleichzeitig bleibt das Risiko-Management spannend. Lohnt sich ein Angriff auf ein Nest, wenn man kaum Munition hat? Oder opfert man lieber Ressourcen für ein besseres Verhältnis zum Camp? Solche Entscheidungen tragen durchaus zur Immersion bei – wären aber noch spannender, wenn das System ein wenig mutiger wäre. Wie wär’s mit moralischen Dilemmata beim Plündern? Oder der Möglichkeit, sich auf bestimmte Crafting-Richtungen zu spezialisieren? Okay, ich will ja nicht übertreiben, was man von einem Remaster erwarten kann, aber genau deshalb ist das Spiel heute auch nicht viel besser als damals.
Technik & Atmosphäre – mehr PS, weniger Seele?
Auf technischer Ebene liefert das Remaster von „Days Gone“ fraglos ab – zumindest auf dem Papier – und mit stärkerer Technik unter den Füßen. 60 FPS, verbesserte Schatten, schärfere Texturen und ein fotogenerer Himmel klingen nach einem soliden Upgrade. Und ja, alles sieht nun etwas knackiger und schärfer aus. Besonders auffällig: Der fließende Tag-Nacht-Wechsel, der nun per Knopfdruck steuerbar ist – ein nettes Gimmick für Hobby-Fotografen, das jedoch wenig zur Immersion beiträgt. Die visuelle Aufwertung durch natives Rendering statt Checkboard ist natürlich ein freudiger Anblick – aber ob das alleine das Remaster wirklich rechtfertigt, bleibt fraglich. Letztlich ist es mir herzlich egal, wie das Ganze zustande kommt, solange ich am Ende deutliche Ergebnisse mit meinen Augen sehen kann. Und die sind für Pixel-Fetischisten vielleicht messbar, aber ob sie wirklich spürbar sind, sei mal dahingestellt. Gerade wer schon auf der PS4 Pro oder via Abwärtskompatibilität auf der PS5 / PS5 Pro unterwegs war, muss schon mit der Lupe suchen, um die echten Unterschiede zu finden.
Unter der Voraussetzung, dass all das für ein Upgrade von 10 Euro zu haben ist, mag man denken, Kritik sei fehl am Platz. Für einen Neukauf zum Preis von 50 Euro würde ich jedoch dankend abwinken – dafür steckt „Days Gone“ technisch noch zu sehr in der PS4-Vergangenheit fest.
Wahlfreiheit zwischen Qualitäts- und Performance-Modus ist natürlich nett, aber inzwischen Standard. Die PS5-Version bietet hier mit 1440p bei 60 FPS oder nativen 4K bei 30 FPS das übliche Zwei-Gänge-Menü – garniert mit einem versprochenen 40-FPS-Modus per Patch, der derzeit noch auf sich warten lässt. Und auch wenn die PS5 Pro mit 1800p und 2880p beeindruckende Zahlen wirft, bleibt unklar, wer diese feinen Abstufungen im Alltag tatsächlich wahrnimmt. Der Enhanced-Modus mit PSSR ist ambitioniert, sorgt aber in Bewegung eher für subtilere als spürbare Verbesserungen. Am Ende steht die Frage im Raum: War dieses Remaster wirklich notwendig – und vor allem zu diesem Zeitpunkt? Ein Blick auf „Horizon Zero Dawn„, das damals zeitnahe mit „Days Gone erschien“ und kürzlich ein echtes, aufwendig produziertes Remaster erhielt, liefert eine deutliche Antwort. Im direkten Vergleich wirkt „Days Gone Remastered“ eher wie ein Schnellschuss, den Sony Bend und Climax in aller Eile zusammengeschustert haben.
Das DualSense-Feedback überzeugt hingegen mit gewohnt starken Vibrationen und spürbarem Triggerwiderstand – besonders beim Fahren oder Nachladen. Auch wenn das berühmte ‚Brummen des Motors‘ oder das ‚Knirschen der Straßen‘ in hektischen Hordenmomenten nicht immer im Fokus steht, tragen diese Details spürbar zur Atmosphäre bei. Und in genau diesen Augenblicken erinnert uns der herausragende Soundtrack auch immer wieder daran, warum „Days Gone“ einst so viele Spieler in seinen Bann gezogen hat – intensiv, eindringlich, mitreißend.